Barbaras Auswärtsspiel

19.11.2012

Ich bin dann mal weg…

Human Dignity is Inviolable

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Artikel 1, Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes.

Artikel 1, Absatz 1!

Artikel II-61 der Europäischen Verfassung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“

Artikel II-61, immerhin!

Das passende Pendent in der US-Constitution fehlt. Es gibt Ansätze aber keinen allgemeingültigen Paragraphen.

Wer jetzt allerdings eine Abhandlung über die Menschlichkeit in der Legislativen oder deren Umsetzung in der Exekutiven erwartet, den werde ich enttäuschen, obwohl man sicher Bücher darüber schreiben könnte.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das nur vorweg.

San Francisco ist eine faszinierende Stadt und wie in allen großen Städten finden wir hier krasse Gegensätze von arm und reich. Das Stadtbild wird auf der einen Seite von viktorianischen schnuckeligen Häusern und Villen geprägt, mit Erkern, Türmchen und Gärten und auf der anderen Seite von unzähligen Obdachlosen und Menschen die am Rande, nein, weit unter Existenzminimum leben.

Fährt man irgendwo jenseits der besseren Viertel durch die Stadt, stehen an Ampeln Menschen mit Pappbechern, die um ein paar Cent betteln, über die Straße schiebt ein schlurfender Mann einen überfüllten Einkaufswagen mit seinem gesamten Hab und Gut und jeder Menge leerer Flaschen und Dosen, aufgesammelt und aus Mülltonnen geklaubt, um auch die zu Cents zu machen, eine Frau im Rollstuhl schiebt sich durch die im Stau stehenden Autos, in der Hoffnung auf ein paar Münzen. Sie hat ein faltenfreies Gesicht und eine gepflegte Frisur, dennoch könnte ich ihr Alter nicht schätzen. Immer wieder sieht man Menschen an Hauswänden schlafend oder aber sich an selbigen erleichternd.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Ich habe diesen Satz im Kopf während ich mein Fenster runter lasse und einem Mann mit Pappschild auf dem -I’m starving- steht, ein paar Dollar gebe. „Thank you, Ma’m!“ „You’re welcome!“ Ohne zögern, aus tiefstem Herzen, aber nur weil ich im Auto sitze und Nobbi fährt! Alleine würde ich mich unwohl fühlen.

Wir parken unser Auto auf der Mission Street, gleich an unserem Parkplatz stehen ein paar Mexikaner die irgendwelche Sachen auf der Straße zum Verkauf anbieten. Einer spricht uns auf Spanglish an. Er hätte gern einen Dollar, würde auch auf unser Auto aufpassen und er mag Hunde. Er versucht Lissy zu streicheln, sie mag aber offenbar keine Fremden, ich schlag ihm vor besser Ceallagh zu streicheln und verspreche ihm nen Dollar, wenn unser Auto gleich noch da wär. Er redet jede Menge, was ich nicht versteh, wir sind freundlich, und scherzen, er verspricht es nicht aus den Augen zu lassen, das Auto.

Wir gehen und ich schaue automatisch, ob noch alles da ist. Kleines schlaues Telefon, Kamera, Portemonnaie! Schlechtes Gewissen? Höchstens ein bisschen.

Wir, Jonathan, Kyra, Nobbi und ich, wollen uns ein paar murals, Wandbilder auf Mauern und Zäunen, in der Clarion Alley in Mission District zwischen der 17. und 18. Straße anschauen. Es ist nicht die beste Gegend und ohne „richtigen Mann“ an meiner Seite würde ich mich dort nicht aus dem Auto wagen. Spätestens hier versteht man, warum sich die Autos nach dem Einsteigen selber verriegeln.

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Mission District ist ein interessantes Viertel, stellenweise riecht es nach frisch angezündetem Dope oder menschlichem Urin. Traurige Gestalten, Touristen und ganz normale Einwohner sind gut zu unterscheiden und halten sich je nach Straßenzug etwa die Waage. Es gibt sehr heruntergekommene Bereiche und ganz plötzlich ist man wieder in gepflegterer Gegend. Bunt, durchmischt und kreuz und quer zusammengewürfelt. Mein Gefühl schwankt zwischen Faszination, Verblüffung und Unwohlsein. Auch das ist Amerika! Wir kennen es aus vielen Filmen.

(Es gibt in San Francisco auch Viertel, in die sollte man als weißer besser gar nicht gehen, so steht es in meinem Reiseführer, so arg ist das hier nicht.)

Als wir wieder beim Auto sind, freut sich unser Mexikaner. Dem Auto sei nichts passiert, er hat aufgepasst. Er bekommt seinen Dollar. Er fragt noch ob Jonathan mein Sohn sei und Kyra meine Tochter. Alles auf spanisch, irgendwie versteh ich ihn plötzlich und antworte auf englisch.

Wir fahren quer durch die Stadt, um in Pacific Heights, einem gehobenen Stadtteil einen Treppenlauf zu machen.

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Ich stelle fest, dass es doch wesentlich angenehmer ist, sich hier frei zu bewegen, als in einem Viertel, indem man Sorge hat, dass man wieder alles mit nach Hause nimmt, was man dabei hat. Irgendwie macht es uns alle nachdenklich und als wir dann an einer Baustelle das in Holz geschlagene Dixie Klo bewundern, geht es mir nochmal durch den Kopf:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Hier würde es das Stadtbild stören, wenn man aus dem Fenster auf ein Dixi Klo schaut. Dafür gibt es Abhilfe.

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Nur ein paar Minuten Richtung Süden, leben Menschen auf Asphalt, die haben nicht mal ein Dixi Klo und Abhilfe scheint es auch keine zu geben.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Bei Wikipedia steht die Erklärung:
Im modernen Sinne versteht man darunter, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder anderer Merkmale wie Geschlecht, Alter oder Zustand denselben Wert haben, da sie sich alle durch ein dem Menschen einzig gegebenes schützenswertes Merkmal auszeichnen, die Würde.

Ich möchte dies niemals vergessen. Ganz egal, ob ich mich fürchte oder wie erschrocken ich bin. Auch wenn der Mensch, dem ich gegenüberstehe den Eindruck erweckt, er hätte seine Würde verloren. Auch wenn es nicht mehr zu erkennen ist, eventuell ist die Würde das einzige was er noch hat und eben dies macht es so schwierig ihm unbefangen gegenüberzutreten.

Human dignity is inviolable; to respect and protect it shall be the duty of all state authority. Article 1, paragraph 1 of the German Constitution. It should be not only the duty of authorities. We all should respect it.

This is the important key-difference between America and Germany I always was looking for: Why I am happy and proud to be German? Because of article 1, paragraph 1 of our German Constitution!

27.11.2012

Ich bin dann mal weg…

Anmerkung der Kolumnistin: Es war Thanksgiving und es war ein absolut schönes Fest, so schön, dass ich eigentlich eine Kolumne hätte drüber schreiben müssen, aber noch in der selben Nacht wurde ich krank, das übliche Winterpaket, nichts schlimmes nur lästig. Ich habe noch einen Film geschnitten und dann ging gar nichts mehr.



Thomas, unser Gastgeber, war auch fleißig. Die beiden Werke müssen reichen, um euch ohne Worte ein Bild von unserem letzten gemeinsamen Thanksgiving in Amerika zu geben. Danke an Jenni und Thomas und auch an den gesamten Rest der Feiergemeinde.

Leider kann folgendes Video in Deutschland nicht mit Musik gesehen werden. GEMA sei Dank!



Die wache Zeit im warmen Bett verbrachte ich mit der Suche nach Antworten auf Fragen, die ich mir schon lange stelle. Zum Glück kann man Google inzwischen überall hin mitnehmen, auch ins warme Bett.

Hopper’s Hands

Unterhalb der Golden Gate Bridge auf der Stadtseite liegt Fort Point. Man kann es von Crissy Field (dem netten Naherholungsgebiet am Wasser mit Blick auf Brücke und Downtown) aus sehen.

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Viele Jogger rennen die Sackgasse entlang und auch Touristen verirren sich dorthin. Man hat einen absolut nahen Blick von unten auf das grandiose Bauwerk.


Allerdings muss man durch die Löcher im Maschendrahtzaun gucken, denn am Ende der Straße ist eine Mauer mit einem Zaun. Es gibt ein aufgedröseltes größeres Loch, von wo aus man wunderbar die Brücke ohne optische Mäkel ablichten kann.

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Am Zaun selber hängt ein Schild mit zwei Händen darauf: Hopper’s Hands und tiefer unten an der Mauer sind zwei Pfoten.

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Seit Monaten frage ich mich, was dieses Schild wohl soll und wer zum Teufel ist Hopper?

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Ich hatte so schöne Theorien. Spontan fiel mir Dennis Hopper ein, der Schauspieler und Regisseur. Na klar, er hat dort irgendeinen Film gedreht und immer wieder bei irgendeiner Szene, die unter der Brücke spielte, dort gestanden, die Hände am Zaum und wahrscheinlich wild geflucht bis die Szene im Kasten war...

Oder Edward Hopper, Maler und wohl bekanntestes Beispiel des amerikanischen Realismus. Sicher hat er diese niedlichen Hände nicht selbst angefertigt, sie sehen nicht realistisch aus, aber er hat da gestanden, bei irgendeinem Werk, das nicht eine Kneipenszene oder eine belebte Straße zeigt, sondern einfach nur die Brücke...

Oder ist Hopper vielleicht das Synonym für hüpfende Kleinwüchsige, die hier aufgefordert werden, auch einen Blick auf die Brücke zu werfen. Aber warum dann die Pfoten darunter?

Es war mir klar, dass meine tollen Theorien nicht stimmen, trotzdem habe ich fast ein halbes Jahr gebraucht, bis ich endlich auf die Idee kam, es mal zu googlen...Manchmal hat man Angst vor der Wahrheit, Angst, dass die Antwort einem Träume zerstört...und manchmal ist es einfach gar nicht wichtig.

Ich war überrascht und berührt gleichzeitig. Erstens musste ich feststellen, dass ich nicht die einzige war, die eine Dennis und Edward Hopper Theorie hatte, zweitens geht mir die Geschichte der Tafel unter die Haut und drittens greift sie weitere „Amerikanische“ Themen auf wie großartige Volunteerarbeit und Heldentaten!

Der Artikel in den „San Francisco Chronicles“ ist übrigens sehr zu empfehlen:
Quellen: San Francisco Chronicles, Hoppers Hands Blogspot, waymarking

Ken Hopper ist einer von vielen Metallarbeitern/ Ironworker der Golden Gate Bridge. Ihr Job ist es nicht nur, die Brücke, das Nr.1 Bauwerk der Gegend, in Stand zu halten, es sind tatsächlich auch diejenigen, die gerufen werden wenn Verzweifelte auf der Brücke stehen und ihrem Leben ein Ende machen wollen, denn bedauerlicherweise ist es auch Nr.1 Suizid-Schauplatz der Welt, mit mehr als 1200 Suiziden bis heute. Jeder Ironworker kann sich freiwillig in eine Liste eintragen, um zu solchen Suizid-Vermeidungs-Einsätzen gerufen zu werden.

Es sind Ironworker, sie kennen die Brücke und sind als einzige in der Lage schwindelfrei in diesen Höhen einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie tun dort Arbeit, zu der sie eigentlich gar nicht ausgebildet sind. Manchmal, wenn Zeit ist, sind sie mit einem Polizeipsychologen verkabelt, aber da oben auf der Brücke sind sie im Prinzip auf sich selbst, ihr Einfühlungsvermögen und ihre sensible Seite gestellt. Hopper selber hat in 17 Jahren 30 Einsätze gehabt, davon sind zwei gesprungen. Den Rest hat er nach unten begleitet. Nicht alle, die er nach unten begleitet hat, konnte er retten, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Tafel, Hopper’s Hands, gab er in Auftrag. Er bat die Maler der Brücke ein Schild mit Händen und eines mit Pfoten zu machen. Er sagt er habe immer wieder von weit oben die Jogger beobachtet, die an Fort Point den Zaun abklatschen und umdrehen. Eine Frau lässt immer ihren Hund die Mauer berühren, daher auch ein Schild mit Pfoten. 180º Wende, bewusst an dem Punkt sein, wo es nicht mehr weiter geht und umdrehen. Genau das ist es, was die Menschen, die verzweifelt auf der Brücke stehen und ihrem Leben ein Ende machen wollen, tun müssen.

Umdrehen!

Hopper sagte: „Wir sind die einzigen, die blöd genug sind, es zu tun.“ Er meint da hoch zu klettern und mit denen, die bereit sind zu springen, zu sprechen.

Sie sind nicht blöd, sondern lediglich in der Lage etwas zu tun, was sonst keiner kann. Dass sie es tun, freiwillig und jobfremd und wahrscheinlich ohne einen müden Cent dafür zu sehen, macht sie zu Helden.

Auch das ist für mich Amerika!

Im Netz finden sich einige Exemplare des Schildes, die sich von dem das ich fotografiert habe, unterscheiden.

Verschleiß, bei soviel Berührung?

Hoppers Hands
Das ist das Original,

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und das sein Ersatz aus dem Jahre 2005
(Die beiden letzten Bilder: Google sei Dank! Quelle)


Ich habe es bisher nur fotografiert, berührt habe ich es nicht. Aber ich werde und diesmal nicht mit Fragezeichen sondern bewusst.

Next time when I’m at Fort Point I will touch Hopper’s Hands I’ll let touch my dogs the paws. My thoughts will be with the ironworkers and the guys who need their help.


5.12.2012

Ich bin dann mal weg…

Mr. Reliable


Mythos oder honoris causa?

Ich erwähnte es schon mal, er hat den Namen von Oli und Moni, die im Sommer mit ihm durch die Wüste gefahren sind. Für Neuleser oder Überflieger erwähne ich es nochmal kurz: Mr. Reliable heißt unser alter grüner Mercedes.

Am 13.9. hatte er einen klassischen Carpoollane-Unfall, es war in den Breaking News zu lesen. Ein Auto scherte aus der fast stehenden Mittelspur auf die fließende Carpoollane aus, 4 Autos konnten noch bremsen, das fünfte, Mr. Reliable, nicht mehr. Er trägt keine Schuld, es war menschliches Versagen. Mr. Reliable touchierte einen Prius, der fast nichts hatte, aber er selber verbeulte sich die Schnauze und der linke Scheinwerfer war hinüber.

Mr.Reliable
Bild: Leon sei Dank!

Nobbi holte sich in verschiedenen „Bodyshops“ Kostenvoranschläge, die nicht zu akzeptieren waren, fragte dann in seiner Werkstatt des Vertrauens und bekam ein akzeptables Angebot. Es sollte allerdings drei Wochen dauern, da irgendwelche Ersatzteile irgendwo bestellt werden mussten. Am 6.11. waren die drei Wochen um. Böse Zungen behaupten, er war fast zwei Monate in der Werkstatt, aber positiv denkende Menschen wissen, es handelte sich um sogenannte 18-Tage-Wochen, eine Zeitrechnung, die hier in Amerika in Werkstätten und auch anderen Dienstleistungsbereichen durchaus üblich ist.

Unverbeult, mit leuchtenden Lampen und frisch gewaschen holten Samuel und Victor ihn aus der Werksstatt ab, packten ihn direkt mit Schlafsäcken und Winterklamotten voll und machten sich auf den Weg nach Vancouver, Canada, um einen Freund zu besuchen. Auf dem Hinweg kauften sie noch ein paar Schneeketten für ihn, da sie tatsächlich in den ersten Schnee kamen. Zwei Tage brauchten sie aufgrund des schlechten Wetters, aber sie kamen an und zeigten Mr. Reliable Oregon, Washington und Canada.

Mr. Reliable in Canada
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Bild: Victor sei Dank!

In Vancouver selber wurde er abgestellt und musste im Regen stehen ohne wirklich etwas erleben zu dürfen. Erst zehn Tage später sollte er die Jungs wieder nach Hause bringen. Er zickte rum und sprang nicht sofort an.

Batterieprobleme!

Ist es wirklich fair ihm Vorwürfe deswegen zu machen? Sollte er tatsächlich den Status und Namen Mr. Reliable wieder verlieren? Die Jungs besorgten Fremdstrom, um zu starten und er fuhr. Er fuhr durch, eine ganze Nacht, bis nach Hause, mit kränkelnden und übermüdeten Fahrern und als ich sie morgens so sah, die drei, war es offensichtlich: Er behält seinen Namen, denn er machte nach diesem Roadtrip tatsächlich die beste Figur.

Das viele Wasser, was in den letzten Tagen vom Himmel kam, bereitet dem Innenraum Schwierigkeiten, denn das Dach ist nicht mehr ganz dicht. Hauptsache er fährt. Zuverlässig und sicher, im Gegensatz zu so manch anderem Auto in unserem
Fuhrpark. Er darf nun abends in die Garage und neben dem Mini stehen, der dort immer noch mit ausgebautem Motor auf Ersatzteile wartet. Wie viele Wochen das schon sind, weiß ich gar nicht, aber auch in der eigenen Garage sollte man besser in 18-Tage-Wochen rechnen.

Mr. Reliable! You drove through the desert and to Canada almost without problems. You’re not a myth; you’ve earned this name. Take it as “honoris causa” whatever will be in future.

7.12.2012

Ich bin dann mal weg…

Goodbye Nudity

...it’s the law, once again!

Am 1. Januar 2012 traten in Kalifornien und den verschiedenen Städten und Gemeinden eine Menge neuer Gesetze in Kraft. Sie gingen durch die Presse, wie man das auch in Deutschland gewohnt ist, wenn es Neuerungen gibt.

Über ein Gesetz stolperte ich. Es war das Gesetz, dass Nackte in San Francisco sich nicht mehr ohne adäquate Unterlage auf öffentlichen Sitzgelegenheiten niederlassen dürfen. Es wurde dazu erklärt, dass sich ein Nackter ein Handtuch oder mindestens eine Zeitung unterlegen muss, bevor er sich auf eine Parkbank, einen Caféstuhl oder im Bus setzt.

Ich wunderte mich, denn solch ein Gesetz macht nur Sinn, wenn es nicht verboten ist, nackt zu sein.

Bisher ging ich davon aus, dass Nacktheit in Amerika strikt verboten sei. Es gibt in den USA Staaten in denen darf man noch nicht mal einem Schneemann Brüste modellieren, ohne ihm ein Bikinioberteil anzuziehen und Aufklärungskinderbücher zensiert werden aus Angst vor der nackten Wahrheit.

Kalifornien ist nicht ganz so prüde und San Francisco im Speziellen ist die Hochburg der Liberalität und Toleranz. Ich war zwar erstaunt, doch auch erfreut, denn genau das macht San Francisco so besonders. Vorreitergesetze und Akzeptanz von Ungewöhnlichem. Die Einführung von selbstmitgebrachten Taschen beim Einkauf hat auch seinen Ursprung in San Francisco. Es ist noch lange nicht überall üblich, aber San Jose hat auch schon solch ein Gesetz.

Nicht, dass ich ein Befürworter der öffentlichen Nacktheit bin, im Gegenteil, es lenkt mich furchtbar ab. Am Strand ist es ok, aber schon am eigenen Frühstückstisch fällt es mir schwer, mich unbefangen auf meine Tasse Kaffee zu konzentrieren und da wären es nicht mal Fremde. Auf der Straße irritiert es mich.

Als Adam und Eva in hohem Bogen aus dem Paradies flogen, weil sie vom Baum der Erkenntnis genascht hatten, war es vorbei mit der unbefangenen Nacktheit der Menschheit.

Biblisch gesehen ist die verlorene Unschuld und die gewonnene Erkenntnis für die Scham verantwortlich. Vielleicht ein Grund warum kleine Kinder und Putten nackt akzeptiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass in anderen Kulturen andere Geschichten erzählt werden, wie oder warum die Scham entstand.

Die persönliche Ausprägung der Scham variiert sehr stark. Es gibt sowohl übertriebene Scham, wie auch übertriebene Freizügigkeit. Das eine nennen wir verklemmt, das andere Exhibitionismus und die Variationen dazwischen gehen ins Unendliche.

Zurück nach San Francisco. Denn genau diese persönliche Ausprägung scheint hier das Problem zu sein.

San Francisco ist tolerant, liebevoll nennen wir es schon mal, das Köln von Amerika.

Fährt man durch die Stadt, sieht man überall die Regenbogenfahne hängen.

Bei Wikipedia steht, dass die
Regenbogenfahne in vielen Kulturen ein Zeichen der Toleranz, Vielfältigkeit, Sehnsucht und Hoffnung ist.

Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gibt es die 7 farbige Fahne der italienische Friedensbewegung PACE.

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Bild: Google sei Dank! Quelle

Inzwischen ist sie in vielen Kirchen auch außerhalb Italiens zu sehen. Ich sah sie inn Aachen, Berlin und Palo Alto und musste Menschen erklären, dass es sich hierbei nicht um die Fahne der Homosexuellen handelt, die offenbar jeder kennt und die fast genauso aussieht. Sie hat nur sechs Farben, hellblau fehlt, die in umgekehrter Reihenfolge angeordnet sind, als bei der Pacefahne.


Die Fahne der Homosexuellen ist ein Zeichen von Stolz und der Vielfalt dieser Lebensweise und wurde 1978 von Gilbert Baker entworfen. Als im November desselben Jahres Harvey Milk, ein offen schwul lebendes Stadtrat Mitglied in San Francisco ermordet wurde, wurde die Fahne 1979 bei dem Protest- und Trauermarsch zum Symbol der Gay-Bewegung. Gay heißt schwul, aber auch bunt, heiter und farbenfroh...

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Die Gay-Flag auf der Market Street in San Francisco, groß und bunt!


Man sieht sie überall in San Francisco, ich finde sie wunderschön und ebenso die Bedeutung von Vielfalt, Stolz und Toleranz. In San Francisco leben viele Schwule offen, die jährliche gay-pride Parade ist weltberühmt und das Stadtviertel Castro wird auch Schwulenviertel genannt. Die große Regenbogenfahne auf der Market Street flattert als stolzes Symbol.

Eben in Castro fing die Diskussion an. Es gibt eine Gruppe, die naked guys, die dort immer nackt sind. Das nahm solche Ausmaße an, dass sich Anwohner massiv beschwerten. Der selber schwule Stadtverordnete Scott Wiener, auch schon verantwortlich für das Gesetz mit den Unterlagen, brachte einen Entwurf zum Bann der Nacktheit in San Francisco hervor.

Es gab heiße Diskussionen und für mich war es tatsächlich sehr unterhaltsam, das Ganze in der Presse zu verfolgen.

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Diesen Nackten (wohl einer der naked guys, denn so nahtlos braun wird man nicht von ab und zu mal nackt) fotografierte ich aus purem Zufall, als ich die vielen bunten Fahnen auf der Market Street einfangen wollte. Ich habe ihn erst hinterher bemerkt, als das Foto schon im Kasten war. Um weder ihm noch unbedarften Lesern oder gar dritten auf die Füße zu treten, habe ich ihn kunstvoll mit meinem Fotoprogramm in bunte Tücher gewickelt.


Ende November wurde der Entwurf im Stadtrat diskutiert und es kam zur ersten Abstimmung. Begleitet wurde diese Abstimmung durch massive Proteste der Nackten und zwar nicht nur der naked guys, sondern vieler Sympathisanten, Menschenrechtlern, Freaks und Menschen die Gefahr sehen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung eventuell verloren geht.

Als die Kinder mit der Highschool in der Oper waren und ich fragte: „Wie war’s?“, bekam ich zur Antwort: „Cool und vor der Oper waren lauter Nackte.“ Die Oper in San Francisco liegt gegenüber von der City Hall.“ In den Nachrichten abends sah man aufgebrachte Schwiegermütter die sich empörten dass nun alle Hochzeitsbilder ihrer Lieben verschandelt wären, weil überall nackte Fremde drauf wären.

Ich fand es lustig und auch den Skandal in der City Hall selber. Die durfte man nur angezogen betreten, nachdem aber die Abstimmung 5 zu 4 gegen die Nacktheit ausging, entblößten sich aus purem Protest viele im Publikum. Das Ordnungspersonal war verzweifelt und versuchte die Nackten aus dem Saal zu räumen ohne zu berühren und zu gucken. ABC7 zeigte es in ausgedehnter Länge aber großzügig weggepixelt.

Das Ergebnis war knapp und eine nötige zweite Abstimmung fand am 4.12. statt. 7 zu 4, das Ergebnis war deutlicher als zu vor und das City Hall Sicherheitspersonal war diesmal mit hellblauen Laken vorbereitet. Wieder entblößte sich das Publikum und alle wurden sofort in hellblaue Laken gewickelt und aus dem Saal gebracht.

Hellblau, die Farbe die der Gay-Fahne zur Friedensfahne fehlt! Mit Sicherheit keine Absicht und wahrscheinlich bin ich auch die einzige, der das überhaupt aufgefallen ist, aber für mich ist es ein Zeichen.

Dem Frieden fehlt hellblau! Hellblau diesmal die Waffe gegen die Nackten!

Das Gesetz tritt im Februar in Kraft. Nacktheit ist nun auch in San Francisco verboten. Und auch wenn mich selber Nackte auf der Straße irritieren und auch ich mich frage, ob es nicht verletzend und intolerant Menschen gegenüber ist, die aus streng religiösen Gründen auf der prüden Seite stehen, finde ich es schade. Man kann doch wegschauen, wenn es einen stört.

Die letzten wirklich Freien in Amerika haben ihren Kampf verloren.

No nudity in San Francisco anymore. It’s new...it’s the law!

10.12.2012

Ich bin dann mal weg…

With All My Love and Incompetence

Das ist eigentlich das Motto meiner Dokumentarfilmreihe International Geograffities. Nicht, dass ich das könnte, aber ich mache Filme, weil es mir Spaß macht und mein kleines Apfelbuch mir dabei hilft. With all my love and incompetence, weil ich ganz viel Liebe rein stecke und eigentlich gar keine Ahnung davon habe...

Dasselbe gilt für diese Webseite. Im Frühling habe ich mich selbständig gemacht und seitdem läuft und expandiert diese Seite ganz nach meinen Wünschen. (Basti, du weißt wie dankbar ich dir bin und ohne dich wär ich heute niemals so weit) Auch hier steckt ganz viel Liebe drin und immer wieder merke ich, dass ich gar keine Ahnung habe. Trotzdem geht es irgendwie. Wenn ich Probleme habe, dann lass ich alles stehen und liegen und knoble solange rum, bis ich eine Lösung gefunden habe. Google hilft! Manchmal, aber eher selten, versucht Nobbi es, aber auch er ist hier mit seinem Latein schon mal am Ende.

Der Administrator bin nun ich und ich bin immer auf der Suche nach Verbesserung und Perfektion!

Als der Graue Kasten streikte und mir somit der Dialog fehlte, der mir persönlich extrem wichtig ist, machte ich mich unwissend und naiv auf die Suche. Ich fand Ersatz in der Bluish Box, die noch dazu auf dem kleinen schlauen Telefon und dem Tablett funktionierte. Großartig! Da ich nun auch im Bett und unterwegs im Dialog sein kann, dachte ich...

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Achtung, keine Einträge möglich!
Screenshot von Bluish Box unmittelbar vor ihrer Entfernung.


Man konnte sie in zwei Versionen nehmen, entweder kostenpflichtig ohne ad-ons oder umsonst mit kleinen, dezenten ad-ons, die aber erst nach einer Woche installiert werden sollten. Bezahlen wollte ich nichts, da auch die Bluish Box nur ein Kompromiss ist. Ich wäre bereit für einen Chatraum, der alle meine Wünsche erfüllt, Geld zu bezahlen, aber nicht für Kompromisse! Die kleinen ad-ons erwiesen sich als extrem lästige und störende pop ups...unverschämt und keines Falls dezent wie versprochen. Ich bemerkte sie erst heute morgen über die Beschwerdeeinträge in derselben.

Ich hoffe, dass den meisten von euch diese erbärmliche Werbung erspart geblieben ist und entschuldige mich bei allen, die sie ertragen mussten.

Das ist Lehrgeld, das zu zahlen ist, wenn man ohne einen blassen Schimmer zu haben in diesem Medium unterwegs ist.

Trotzdem bin ich nicht bereit meine eigene Seite in die Hände von „blog“-Anbietern zu geben oder aber auf einen Chatraum zu verzichten. Meine Seele will ich auch nicht verkaufen, also bleibe ich fürs erste doch beim Grauen Kasten. Auch wenn ich nicht im Bett oder von unterwegs meinen Senf dazugeben kann. Ich suche weiter nach der idealen Lösung.

Keine Fertigsmileys mehr, tut mir leid...und bitte seid bei der Reihenfolge der Einträge vorsichtig. Erst den Namen, dann den Text, da sonst Gefahr ist, dass man sich gegenseitig überschreibt, wenn zwei gleichzeitig tippen. Direkt unter der aktuellen Kolumne wird es nun das Graue Kästchen geben, falls sich mal längere Gespräche in ihm entwickeln, kann man auf den Grauen Kasten wechseln. Es ist derselbe Kasten, bloß in lang, das erspart lästiges scrollen, was mit mobilen Geräten ohnehin nicht möglich ist.

Eure Kommentare im Grauen Kasten sind willkommen und erwünscht:

(von der Redaktion entfernt)

Winteressen

wieder hoch