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Der Expatriate (Homo sapiens expatriensis)

Der Expatriate, kurz einfach Expat, gehört zu den modernen Menschen. Er ist auf den ersten Blick vom echten modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) nicht zu unterscheiden. Das Aussehen und auch die Lebensweise lässt den Laien keine Unterschiede erkennen. Verhaltensforscher haben jedoch die Lebensweise der Expatriaten genau untersucht und festgestellt, dass es sich tatsächlich um eine eigene Unterart des Homo sapiens handelt.

Die Klassifizierung in eine eigene Unterart legitimiert sich durch den ausgeprägten
sexuell-sozialen Dimorphismus* von Männchen und Weibchen, der zwar auch gelegentlich bei Homo sapiens sapiens zu finden ist, dort allerdings eher eine freiwillig-soziale Verhaltensweise ist, anders als bei Expats, bei denen es sich um einen echten, der Unterart eigenen, sexuell-sozialen Dimorphismus* handelt. Dieses besondere Verhaltensmuster steht immer in Verbindung mit Migration, die bei Homo sapiens sapiens grundsätzlich fehlt.

Zur Anerkennung einer eigenen Unterart in der Klassifizierung der Biologie gehört weiter die sexuelle Abgrenzung zu anderen Unterarten. Biologisch sind Kreuzungen zwar möglich, aber praktisch nicht üblich. So können Tiger und Löwe sich zwar fortpflanzen, tun es aber nicht, da sie auf verschiedenen Kontinenten leben. Bei Homo sapiens expatriensis ist zwar keine kontinentale Grenze zum Homo sapiens sapiens vorhanden, aber durchaus eine starke geistige, intellektuelle und vor allem emotionale Grenze zum echten modernen Menschen vorhanden. Er ist in der Lage mit ihnen zu kommunizieren, tut dies auch, wenn es unausweichlich ist, fühlt sich aber nur wohl in Gesellschaft von Individuen gleicher Unterart.

Das Expatmännchen unterscheidet sich so gut wie gar nicht vom echten Menschen-männchen. Daher haben über Jahrzehnte die Biologen den Expat nicht als eigene Unterart erkannt. Optisch unterscheiden sie sich gar nicht, sozial eigentlich auch nicht, denn beide sind in der Regel die Versorger ihrer Familien, nur dass der Expat dafür grundsätzlich seinen alten Lebensbereich mit seiner Familie verlässt und sich weit weg von zu Hause für eine gewisse Zeit einen neuen sucht.

Bei dem Expatweibchen sind die Unterschiede umso größer. Das Expatweibchen folgt dem Männchen in die Fremde und entfaltet dort die typischen unterarteigenen Verhaltensmuster. Die Aufgabe des Expatweibchens ist zwar die Familie zusammenzuhalten, nach außen abzugrenzen und vor allem vor dem Einfluss vom echten modernen Menschen zu beschützen, aber hauptsächlich ist es damit beschäftigt, sich selbst zu unterhalten.

Nachdem der Nachwuchs morgens versorgt und verwahrt ist, macht das Weibchen sich auf den Weg, sich um sich selbst zu kümmern. Es gibt eine Vielzahl von typischen Expatweibchenbeschäftigungen, wie Reiten, Golfen, Tennis, Joggen, Körperpflege und Ähnliches. Dabei begibt sich das Weibchen meistens in die Gesellschaft von echten modernen Menschen, mit denen es zwar mehr oder weniger kommunizieren kann, aber sich niemals wirklich wohl in deren Gesellschaft fühlt. Deshalb sucht es immer wieder Kontakt zu anderen Expatweibchen, die sich sofort miteinander verständigen, kaum dass sie sich begrüßt haben. Es ist mehr ein Schnattern, der typische Expatweibchenlaut. Verhaltensbiologen beschrieben dieses Schnattern als aufgeregten, die Gruppe nach außen abgrenzenden Dauerlaut, wie man es von Vogelschwärmen kennt. Den Forschern ist noch nicht ganz klar, ob dieser Laut mehr wie eine Reviermarke zu sehen ist, also ein warnender, aber defensiver Laut oder ob es mehr ein aggressiv, protzendes Geräusch ist. (…)

Fest steht jedenfalls, dass diese typische Verhaltensweise des Expatweibchens eine rituelle, denn Immerwiederkehrende soziale Verhaltensstruktur ist, die dem Weibchen mehr als nur Zeitvertreib bietet. Den Forschern fiel auf, dass nach jedem Expatweibchentreffen die Individuen gestärkt in ihre Familien zurückkehren. Es ist also eine Art emotionaler Nahrungsaufnahme. (…)

Obwohl die Population der Expatriaten sehr klein ist, sind sie zunächst nicht vom Aussterben bedroht. Sie besetzen eine stabile ökologische Nische, die hoher Spezialisierung bedarf. Somit werden sie nicht vom gewöhnlichen Homo sapiens sapiens verdrängt und machen sich auch gegenseitig kaum Konkurrenz. Das hat zu Folge dass der Homo sapiens expatriensis keinem selektiven Druck unterliegt und sich daher wahrscheinlich auch nicht mehr weiterentwickeln wird. Diese Sackgassenevolution der hohen Spezialisierung hat in der Erdgeschichte schon so mancher Art die Existenz gekostet.

Doch das ist wissenschaftliche Schwarzmalerei. Im Moment gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass der Bestand des Homo sapiens expatriensis in Gefahr ist und wir erfreuen uns immer wieder an dem Geschnatter putziger Expatweibchen bei ihrem Ritual.


*sexuell-sozialer Dimorphismus: geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede, die nichts mit der Fortpflanzung oder der Aufzucht der Jungen zu tun haben.