Barbaras Auswärtsspiel

5.11.2010


…it’s the law (part1)

Gesetze und Regeln gibt es überall. Es muss sie geben, damit das Leben in der Gemeinschaft funktioniert. Meistens entstehen Gesetze aus einem gewissen Bedarf der Gesellschaft, um entweder die Mitglieder der Gesellschaft vor irgendetwas zu schützen oder irgendetwas vor der Gesellschaft und deren Mitgliedern zu schützen, die Gesellschaft selbst zu schützen oder deren übergeordnete Struktur.

Jedes Land hat nun sein eigenes Regelwerk. Verschiedene Gesetzbücher die das Leben in der Gemeinschaft regeln sollen und wenn man Glück hat, dann wohnt man in einem Land in dem im Großen und Ganzen die Regeln für den Einzelnen nachvollziehbar und somit umsetzbar sind. Ich möchte hier keine Länder vergleichen und auch nicht auf Sinn und Unsinn von Gesetzen eingehen, denn damit könnte man genauso viel Papier füllen, wie mit den Gesetzestexten selbst.
Vielmehr möchte ich auf den Umgang mit den Gesetzen und deren Umsetzung im Alltag eingehen.

Es gibt in Deutschland viele Gesetze, die meisten kenne ich nicht, aber ich habe mich immer bemüht, mich an sie zu halten. Wenn neue Gesetze, die den Normalbürger betreffen, eingeführt werden, dann erfährt man davon in den Medien. Ich denke da z.B. an die Pflicht mit Winterreifen zu fahren, Hunde zu chippen, wenn man über EU-Grenzen will oder das Verbot der 100 Watt Glühbirne.

In der Einführungsphase solcher Gesetze hört oder liest man immer wieder davon, aber allmählich verschwinden die Diskussionen aus den Medien und das Gesetzt besteht still weiter.

Hier in den USA wird man ständig und überall an „das Gesetz“ erinnert. Dauernd liest man: „…it’s the law!“

Diese Phrase wird ständig benutzt. Sie begegnet einem häufig, vor allem im Straßenverkehr, als drohender Zeigefinger oder im Umgang mit Menschen, die sich damit für schwachsinnige Bestimmungen entschuldigen. (dazu mehr in part 2)

Wenn auf den Autobahnen kein Stau ist, das Verkehrsleitsystem also nichts zu melden hat, wird man mit Leuchtschrift, die sonst Staus oder Unfälle ansagen, an Gesetze erinnert. Das gibt es in Deutschland auch, aber da steht dann: Bitte nicht rasen, Abstand halten, vor Baustellen gibt es eine optische Erinnerung wie das Reißverschlusssystem funktioniert oder was auch immer. Mir ist in Deutschland noch nie ein drohender Gesetzeshinweis begegnet, lediglich Schilder die z.B. mit zum Teil recht krassen Bildern oder einfach schlichten Texten darauf aufmerksam machen, was passieren könnte, wenn man zu schnell fährt. Auch das ist eine Drohung, aber eine, die an den gesunden Menschenverstand gerichtet ist und nicht an das „Pflichtbewusstsein“ sich an Gesetze zu halten.

Hier findet man Sätze wie:„Hands free, it’s the law!“ „Seatbelt on, it’s the law!” Einfach, einprägsam, aber mit erhobenem Zeigefinger.


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Die Drohung vor dem Gesetz wird oft noch dazu durch die Angabe der Strafe bei Gesetzesverstoß unterstützt. Z.B.: Littering; 1000$ oder Carpool Violation; Richtung San Franzisko 381$ nach Süden nur 271$, handycap-parking violation 1000$. Die Strafen für Verkehrsdelikte sind hoch, so hoch, dass man sich lieber an die Regeln hält.


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Bilder alle drei: google sei Dank, ich kann nicht Autofahren und gleichzeitig fotografieren, das verstößt gegen das Gesetz: hands free!

Die ständige Erinnerung an das Gesetz kommt mir so vor, wie der verzweifelte Versuch von überforderten Eltern, die mit einer diskussionsfreien Wenn-Dann-Pädagogik plötzlich eine strenge Linie in die bisher lasche und erfolglose Erziehung ihrer Nachkommen bringen wollen.

Was den amerikanischen Straßenverkehr anbelangt, nützt es sogar etwas. Denn die meisten versuchen sich an die Bestimmungen zu halten. Wobei ich vermute, dass das mehr an der Strafhöhe, als an der Moral liegt.

Ich habe große Probleme damit, ständig an das Gesetz erinnert zu werden, es bereitet mir Unbehagen und ich habe immer Angst etwas falsch zu machen und somit fühle ich mich nicht frei, sondern gegängelt.

I know I should have respect for the law and I wonder if I fear the law. No, I don’t fear the law, I fear the punishment if I violate the law. And so I can’t develop something like respect.

Fortsetzung folgt…

Will be continued…


…it’s the law (part2)

Prohibition

Mit den Gesetzen rund um den Alkohol kann man wahrscheinlich auch ganze Bücher füllen. Ich kenne nicht alle Gesetze und es sind auch tatsächlich noch Fragen offen. Ich versuche mein Wissen (evtl. Halbwissen) kurz zusammenzufassen.

Man darf Alkohol erst ab 21 Jahren kaufen und konsumieren, alle anderen Behauptungen, dass es auf privaten Veranstaltungen schon früher erlaubt sei, sind wohl Gerüchte, die Jugendliche unter 21 in die Welt setzen, um ihre Eltern an der Nase herum zu führen. Des Weiteren darf Alkohol niemals in der Öffentlichkeit getrunken oder sichtbar getragen werden, daher die braunen Papiertüten um die Flaschen. Um Alkohol auszuschenken, braucht man eine Lizenz, die viele Fastfoodketten z.B. nicht haben und daher ihren Kunden das Mitbringen eigener Flaschen erlauben: bring your own bottle, BYOB, das gilt auch für bars, die nichts zu Essen anbieten, da darf man sich dann sein Sandwich mitbringen.

Das Ausschenken von Alkohol ist an bestimmte Uhrzeiten und in manchen Staaten der USA auch an Wochentage gebunden. So kann es passieren, dass man sonntags keinen Alkohol kaufen darf. (Wir haben im Steakhaus schon gesagt bekommen, dass es ab 21 Uhr keine Cocktails mehr gibt, wenn wir einen trinken wollen, dann aber schnell…)

Natürlich ist Alkohol am Steuer verboten, allerdings darf man ab 21 Jahre einen Blutalkoholspiegel von 0,08% haben, unter 21 nur 0,01%. Alkohol ist nur im Kofferraum zu transportieren, sollte man eine geöffnete Flasche im Personenraum transportieren, kann der Fahrer unabhängig von seinem Blutalkoholspiegel für Trinken am Steuer verurteilt werden.

Zu Zeiten der Prohibition Anfang des letzten Jahrhunderts wurde in Amerika nicht etwa kein Alkohol konsumiert, nein, es wurde getrunken wie eh und je. Allerdings blühte der Schwarzmarkt und man trank eben illegal.


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Das ist mit der Jugend heute nicht anders, ich vermute sogar, dass das Alkoholverbot den Alkohol nur noch interessanter macht. Die Jugendlichen trinken nun eben nicht in der Öffentlichkeit, sie organisieren sich irgendetwas zu trinken und tun das eben in Privathäusern. Sie sollten sich halt nicht erwischen lassen und daher erst nach Hause gehen, wenn sie wieder nüchtern sind.

Als ich vor ein paar Tagen zwei twelvepacks Bier (0,33l) und zwei Flaschen Rotwein kaufte, wurde ich an der Kasse nach meiner ID gefragt. Ich stutzte, aber ich weiß ja, dass die hier komische Regeln haben. Ich händigte der Kassiererin meinen Niederländischen Führerschein aus und…, oh je, das war ein Problem, denn der wird ja nicht als solcher von der vollautomatischen Kasse als ID erkannt und dann kann die Kasse auch nicht sagen, aha, über 21, die Kundin ist berechtigt Alkohol zu kaufen.

Sie entschuldigte sich und rief über ein Telefon ihren Vorgesetzten, der eilends kam, meinen rosaroten Führerschein betrachtete und dann entschied, mich nach meinem Alter zu fragen. Ich bekam so etwas wie einen Lachkrampf und fragte wirklich verwundert, ob er ernsthaft wissen wolle, wie alt ich sei. Ja! Das wollte er!

“Sorry, it’s the law; I have to ask you, how old you are!”

Da war es wieder. Der Hinweise auf das Gesetz, diesmal nicht als Drohung, diesmal als Entschuldigung. Was kann denn die Verkäuferin oder der Vorgesetzte dafür, wenn sie mich nach meinem Alter fragen müssen?

Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich 42 bin, sagte noch, dass es mir das Gefühl gäbe, verdammt jung auszusehen, aber es doch etwas komisch sei. Man erklärte mir, dass das Gesetz es vorschreibt zu fragen, egal wie alt der Mensch auch aussieht. (Schade!) Normalerweise wird eben das ID-Kärtchen gelesen und da steht ja drin, wie alt man sei.

Es macht die Sache für die Angestellten klar, spricht ihnen allerdings die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Denken und Handeln ab und auch die Dinge mit dem gesunden Menschenverstand zu beurteilen. Weicht auch nur etwas von der Norm ab, wie ein rosaroter Niederländischer Führerschein, bricht für einen Moment das System komplett zusammen. Ein Glück, dass es Vorgesetzte gibt, die ein wenig denken können und in der Lage sind, das digitale Alterbefragungssystem in ein analoges umzusetzen.

In three weeks I will make my behind-the-wheel driving test. I hope I will do it fine and I will get my California driving licence. Then I have an ID like the Natives and the digital question-machine is able to read it.

Epilog: Ich persönlich habe das Gefühl, dass das Gesetz, -the law-, als Allmacht über allem schwebt. Es soll das Handeln und Tun reglementieren. Es ist Bestimmung, Kontrolle und Ausrede. Ich habe Angst vor dem Gesetz, also Angst davor es zu brechen und zwar nicht absichtlich, sondern eher aus Versehen. Und dieses Gefühl nimmt mir die Freiheit, die mir -the law- auf der anderen Seite verspricht. Ich möchte nicht, dass man mich falsch versteht. Ich habe nichts gegen die Gesetze selber, jedenfalls nicht gegen alle. Es wird immer Gesetze geben, die ich nicht verstehe, aber ich akzeptiere sie und möchte mich auch an sie halten. Mich stört nur die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird. Sie tauchen als Drohung, oder als lästige Erscheinung auf, statt mit stiller Selbstverständlichkeit einfach zu existieren, bis sie gebraucht werden. Ist es wirklich nötig, dass man den Menschen ständig daran erinnern muss, sich an die Gesetze zu halten, ansonsten würde er bestraft?


9.11.2010


Anmerkung der Kolumnistin: Das ist die 43. Kolumne aus den USA, ich werde heute 43 Jahre alt, absoluter Zufall! und auf jeden Fall Grund zum Feiern!!!

Cupcake

Als Klischeejäger darf man manches einfach nicht verschweigen und dann fallen mir auch noch Dinge auf, die mich fast verzweifeln lassen.

Wenn man durch Supermärkte geht oder sich in Bäckereien umschaut, dann fallen einem diese hübschen kleinen Törtchen auf. Sie sind bunt, liebevoll verziert und wirklich eine Augenweide. Cupcakes!


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Cupcakes sind in England und Amerika sehr populär. Es sind, anders als Muffins, kleine Cremetörtchen. In den Regalen mit den Backzutaten gibt es alle erdenklichen Farben, Zuckerstreusel, Kokosflocken und ganze Maler- und Handwerkerkästen, um Cupcakes zu verzieren.


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Einmal habe ich bei einer Bekannten Kaffee getrunken und einen Cupcake gegessen. Seit dem weiß ich, warum man soviel Mühe und Liebe in das Aussehen dieser Törtchen steckt. Man sagt, dass das Auge mit isst. Schmeckt es aber nicht so gut, dann kann man versuchen, durch extrem hohe optische Aufwertung das Törtchen sozusagen durch das Sehzentrum lecker zu bekommen.

Bei mir hat das nicht funktioniert. Der Geschmack war doch dominanter als das Aussehen, aber es mag sein, dass ich so viel Zucker, höchstwahrscheinlich Zucker mit Geschmacksverstärker, denn es war viel süßer noch als purer Zucker, einfach nicht gewohnt bin.

Da ich nun selber versucht habe, für einen leckeren Kuchen Zutaten einzukaufen, weiß ich, warum man sich hier soviel Mühe mit dem Verzieren geben muss.

Der deutschen Hausfrau (Ich weiß, es gibt auch Männer, die backen und Frauen, die einem Beruf nachgehen und nach Feierabend backen, das sind ja keine Hausfrauen! Aber die Dinge von denen ich rede sind extra für die deutsche Hausfrau in den 50er Jahren von Dr. Ötker entwickelt worden. Klischee ist Klischee!), also, der deutschen Hausfrau stehen Dinge zur Verfügung, die einen Kuchen, ein Törtchen oder einfach nur Kekse so lecker machen, dass es ganz egal ist, wie sie aussehen.

Ich spreche von einfachen Aromen wie Vanillezucker, Rumaroma, Zitronenaroma, Bittermandel und was auch immer. Noch dazu gibt es eine fantastische Auswahl an Backpulver, Sahnesteif, Gelatine und und und…

Gelatine habe ich gesehen, Puderzucker habe ich bekommen, Backpulver gibt es nur im Töpfchen, Kakaopulver ungesüßt musste ich lange suchen, aber ich wurde fündig, doch weder Rumaroma noch Vanillezucker sind zu bekommen. Kein Vanillezucker! Die Zauberzutat in der Bäckerei schlechthin. Mehl, Eier, Fett, Zucker egal in welchem Mischverhältnis können mit Vanillin zu kulinarischen Träumen werden und mit Rumaroma die Karibik im Unterbewusstsein erwecken.

Ich wollte also einen leckeren Marmorkuchen backen und musste improvisieren. Statt Rumaroma und Vanillezucker rieb ich Zitronenschale rein, den Tipp habe ich übrigens von Nobbi (Er wäre eine gute Hausfrau geworden, wenn er nicht Karriere gemacht hätte).

Dass es kein Rumaroma gibt, verstehe ich, das liegt mit Sicherheit an der Prohibition, aber was spricht gegen Vanillezucker? Wahrscheinlich kommt Vanille aus Kuba und es gab mal irgendwann ein Vanilleembargo, anders kann ich mir das nicht erklären.

Ich habe jedenfalls nun keinen klassischen Marmorkuchen gebacken, sondern wollte mich wenigstens ein wenig an die Sitten und Gebräuche anpassen. Ich füllte meinen Marmorteig in lauter kleine Muffinförmchen und hoffe, dass auch ohne Vanillezucker das ganze noch lecker genug ist, um über das optische Desaster hinwegzuhelfen.


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Now I am going to celebrate my birthday with ugly, but tasty German marble muffins, instead of pretty, but bad tasting cupcakes.


13.11.2010


Gekürzter Artikel aus National Geografics, November 2010, mit freundlicher Erlaubnis

Anmerkung der Kolumnistin: Ich freue mich sehr, die Erlaubnis bekommen zu haben, diesen Artikel veröffentlichen zu dürfen. Denn meine persönlichen Erfahrungen decken sich mit den Beschreibungen in diesem Artikel. Da ich das selber aber nicht hätte besser schreiben können, begnüge ich mich diesmal mit den Worten der Fachleute und halte mich mit meinen eigenen Kommentaren zurück.

Der Expatriate (Homo sapiens expatriensis)

Der Expatriate, kurz einfach Expat, ist auf den ersten Blick vom echten modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) nicht zu unterscheiden. Das Aussehen und auch die Lebensweise lässt den Laien keine Unterschiede erkennen. Verhaltensforscher haben jedoch die Lebensweise der Expatriaten genau untersucht und festgestellt, dass es sich tatsächlich um eine eigene Unterart des Homo sapiens handelt.

Die Klassifizierung in eine eigene Unterart begründen die Forscher vor allem mit dem ausgeprägten
sexuell-sozialen Dimorphismus* von Männchen und Weibchen, der zwar auch gelegentlich bei Homo sapiens sapiens zu finden ist, dort allerdings eher eine freiwillig-soziale Verhaltensweise ist, anders als bei Expats, bei denen es sich um einen echten, der Unterart eigenen, sexuell-sozialen Dimorphismus* handelt. Dieses besondere Verhaltensmuster steht immer in Verbindung mit Migration, die bei Homo sapiens sapiens grundsätzlich fehlt.

Zur Anerkennung einer eigenen Unterart in der Klassifizierung der Biologie gehört weiter die sexuelle Abgrenzung zu anderen Unterarten. Biologisch sind Kreuzungen zwar möglich, aber praktisch nicht üblich. So können Tiger und Löwe sich zwar fortpflanzen, tun es aber nicht, da sie auf verschiedenen Kontinenten leben. Bei Homo sapiens expatriensis ist zwar keine kontinentale Grenze zum Homo sapiens sapiens vorhanden, aber durchaus eine starke geistige, intellektuelle und vor allem emotionale Grenze zum echten modernen Menschen vorhanden. Er ist in der Lage mit ihnen zu kommunizieren, tut dies auch, wenn es unausweichlich ist, fühlt sich aber nur wohl in Gesellschaft von Individuen gleicher Unterart.

Das Expatmännchen unterscheidet sich so gut wie gar nicht vom echten Menschen-männchen. Daher haben über Jahrzehnte die Biologen den Expat nicht als eigene Unterart erkannt. Optisch unterscheiden sie sich gar nicht, sozial eigentlich auch nicht, denn beide sind in der Regel die Versorger ihrer Familien, nur dass der Expat dafür grundsätzlich seinen alten Lebensbereich mit seiner Familie verlässt und sich weit weg von zu Hause für eine gewisse Zeit einen neuen sucht.

Bei dem Expatweibchen sind die Unterschiede umso größer. Das Expatweibchen folgt dem Männchen in die Fremde und entfaltet dort die typischen unterarteigenen Verhaltensmuster. Die Aufgabe des Expatweibchens ist zwar die Familie zusammenzuhalten, nach außen abzugrenzen und vor allem vor dem Einfluss vom echten modernen Menschen zu beschützen, aber hauptsächlich ist es damit beschäftigt, sich selbst zu unterhalten.

Nachdem der Nachwuchs morgens versorgt und verwahrt ist, macht das Weibchen sich auf den Weg, sich um sich selbst zu kümmern. Es gibt eine Vielzahl von typischen Expatweibchenbeschäftigungen, wie Reiten, Golfen, Tennis, Joggen, Körperpflege und Ähnliches. Dabei begibt sich das Weibchen meistens in die Gesellschaft von echten modernen Menschen, mit denen es zwar mehr oder weniger kommunizieren kann, aber sich niemals wirklich wohl in deren Gesellschaft fühlt. Deshalb sucht es immer wieder Kontakt zu anderen Expatweibchen, die sich sofort miteinander verständigen, kaum dass sie sich begrüßt haben. Es ist mehr ein Schnattern, der typische Expatweibchenlaut. Verhaltensbiologen beschrieben dieses Schnattern als aufgeregten, die Gruppe nach außen abgrenzenden Dauerlaut, wie man es von Vogelschwärmen kennt. Den Forschern ist noch nicht ganz klar, ob dieser Laut mehr wie eine Reviermarke zu sehen ist, also ein warnender, aber defensiver Laut oder ob es mehr ein aggressiv, protzendes Geräusch ist. (…)

Fest steht jedenfalls, dass diese typische Verhaltensweise des Expatweibchens eine rituelle, denn Immerwiederkehrende soziale Verhaltensstruktur ist, die dem Weibchen mehr als nur Zeitvertreib bietet. Den Forschern fiel auf, dass nach jedem Expatweibchentreffen die Individuen gestärkt in ihre Familien zurückkehren. Es ist also eine Art emotionaler Nahrungsaufnahme. (…)

Obwohl die Population der Expatriaten sehr klein ist, sind sie zunächst nicht vom Aussterben bedroht. Sie besetzen eine stabile ökologische Nische, die hoher Spezialisierung bedarf. Somit werden sie nicht vom gewöhnlichen Homo sapiens sapiens verdrängt und machen sich auch gegenseitig kaum Konkurrenz. Das hat zu Folge dass der Homo sapiens expatriensis keinem selektiven Druck unterliegt und sich daher wahrscheinlich auch nicht mehr weiterentwickeln wird. Diese Sackgassenevolution der hohen Spezialisierung hat in der Erdgeschichte schon so mancher Art die Existenz gekostet.

Doch das ist wissenschaftliche Schwarzmalerei. Im Moment gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass der Bestand des Homo sapiens expatriensis in Gefahr ist und wir erfreuen uns immer wieder an dem Geschnatter putziger Expatweibchen bei ihrem Ritual.


*sexuell-sozialer Dimorphismus: geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede, die nichts mit der Fortpflanzung oder der Aufzucht der Jungen zu tun haben.



18.11.2010


Homesick

Gegen Kopfschmerzen kann man eine Tablette nehmen, unter einer Magen- Darmgrippe leidet man ein paar Tage sehr, dann ist sie vorüber, von einem grippalen Infekt oder gar der richtigen Grippe hat man da schon länger etwas, aber auch diese Krankheit geht vorbei.

Probleme mit den Bandscheiben sind anders. Die Schmerzen kommen und gehen, schubweise. Mal ist es so schlimm, dass man sich gar nicht mehr bewegen kann, aber manchmal hat man wochenlang auch nur ein leichtes Ziehen im Rücken. In akuten Fällen hilft ein starkes Schmerzmittel, das einen erstmal aus dem Teufelskreis von Schmerz und Verkrampfung rausholt. Dann sollte man Muskelaufbau und Beweglichkeitsübungen machen, die man vor allem in der symptomfreien Zeit nicht schleifen lassen sollte. Seit ich in Amerika bin, habe ich eigentlich keine schlimmen Probleme mehr mit dem Rücken gehabt.

Dafür habe ich nun Heimweh. Die Symptome kommen entweder ganz plötzlich, wie bei einer falschen Bewegung die Rückenschmerzen, oder werden ganz langsam immer schlimmer, als wenn man zu lange falsch gesessen hat. Es sind keine Schmerzen, aber tiefe Traurigkeit, bis hin zu Lahmheit und Bewegungsunfähigkeit, genau wie bei den Rückenproblemen.

Ich habe weder Medizin noch Psychologie studiert, aber ich habe schon mal mit solchen Menschen gesprochen. Wenn du denen mit Rückenschmerzen oder Psycholeid kommst, sagen die; Symptome stillen und Ursache behandeln, leichter gesagt als getan.

Das funktioniert bestimmt bei Heimweh auch: Symptome stillen ist da gar nicht so einfach, aber ich habe eine Lösung gefunden. Es kommt oft zur so genannten Erstverschlimmerung, das Wort kenn ich aus der Homöopathie, aber genau so ist es. Ich rede und schreibe mit den Menschen, die ich vermisse. Das tut gut, aber oft eben auch besonders weh. Ich merke wen und was ich besonders vermisse. Erstverschlimmerung! Ein gutes Zeichen, das heißt die Medizin wirkt!

Aber damit ist es nicht getan. Einrenken und Muskelaufbau muss ich betreiben. Das tue ich nun. Ich singe im Eltern-Lehrer-Schüler-Chor und anschließend gehe ich mit Schicksalsgenossen etwas Trinken. Das Singen wirkt wie eine auflockernde Massage meines Physiotherapeuten mit den goldenen Händen und anschließend kann ich noch therapeutische Gespräche mit Menschen führen, die Ähnliches erlebt und gefühlt haben, Tipps geben oder einfach nur nicken, wenn ich etwas erzähle. Eine Selbsthilfegruppe, es tut gut! Es nimmt mir nicht das Heimweh, aber es stärkt.

Während der Schulchor mit anschließender Kneipe die Physio- und Psychotherapie ist, ist das wöchentliche Treffen mit Spaziergang am Meer der Kraftsport.


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Der Strand von Halfmoon Bay bietet ein ziemlich schönes Ambiente, egal was man dort tun möchte. Es ist halt einfach schön.


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Die meisten der Frauen unterhalten sich beim Spaziergang, nicht dass ich das nicht tue, aber ich genieße das Meer und den Strand mit meinen Hunden, schwätze hier und da mal, aber tobe lieber mit den Hunden, denn Schwätzen kann ich nachher noch beim lustigen Kaffeetrinken mit einem Sammelsurium interessanter Frauen. Man blättert in Kosmetikkatalogen, unterhält sich über Schmuck oder Werkzeuge zum Pickelausdrücken und kann selbige auch gleich bestellen.

Als ich das erste Mal dabei war, hatte ich danach das schlimmste Heimweh überhaupt. Mit meinen unmanikürten Fingern raufte ich mir die Haare und fragte mich, was soll ich hier eigentlich. Das ist nicht meine Welt. Aber allmählich lerne ich die Frauen besser kennen und vor allem schätzen. Sie sind lustig, haben Humor und ich kann mit ihnen lachen. Auch wenn ich den Gesprächen nicht immer folgen kann, weil ich weder eine Tochter habe noch selber einen Lippenstift besitze. Es gibt aber auch andere Themen, Gespräche die gut tun und Gespräche die helfen. Inzwischen fühle ich mich etwas wohler und freue mich schon auf das nächste Treffen.

Es nimmt mir nicht das Heimweh, aber es hilft mir, damit umzugehen.

If you are sick you need relief. Sometimes you can eat a pill against the symptoms but often it is only the time which helps.

Homesick
…Nachtrag

Auf diese Kolumne habe ich spontan per e-mail Medizin bekommen, die ich nicht für mich behalten möchte, danke Kristof!


You Tube: Done with Bonaparte, Mark Knopfler
(wie immer rechter Mausklick, neuen Tab öffnen und zurück zur blinddate-Seite)

Ich habe fast eine Woche gebraucht, um die homesick-Kolumne zu schreiben. Immer wieder habe ich abgebrochen, weil ich mich selber mit Musik suchen und hören abgelenkt habe oder mich mit lahmer Lustlosigkeit einfach im Internet verlief. Deshalb entschied ich mich heute die Kolumne ohne Musik zu schreiben und freue mich umso mehr, einen Song als Medizin geschickt bekommen zu haben.

Mir ging auch immer wieder der Text von Jan Delays Hoffnung durch den Kopf:

Dies ist für die Traurigen, die zu Tausenden da draußen sind Irgendwo alleine sitzen, und einfach nicht mehr weiter wissen
Für die die Sonne nie mehr scheint, weil die graue Wolkendecke ewig bleibt Verlassen und verloren, ausgepowert und am Boden
Doch wenn du denkst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo diese Mukke her Und sagt dir dass alles besser wird Und dass die Hoffnung als aller Letztes stirbt
Ein Tunnel ohne Licht am Ende Dunkelheit für immer Du kannst die Sorgen nicht ertränken Sie sind verdammt gute Schwimmer
Doch zum Glück kann ich vermelden, wie schlimm's auch immer kommen mag Da sind noch welche die dir helfen und das sind Prince und Stevie Wonder
Denn wenn du denkst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo diese Mukke her Und sagt dir, sagt dir dass alles besser wird Und dass die Hoffnung als aller Letztes stirbt
Und ich sing: Whoo Whoohoho Whoohoho Whoohoho...
Au ja und ich sag: (Whooo) Musik is so schön (Whohoho) Sie ist das Beste im Leben (Whohoho) Schickt die Sonne in dein Herz (Whohoho) und sie, sie trocknet deine Tränen
Sie,
(Who) sie ist immer für dich da (Whohoho) und sie, sie nimmt dich in den Arm (Whohoho) Also, also scheiß mal auf die Trauer (Whohoho) und mach die Anlage noch lauter
Denn wenn du denkst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo schöne Mukke her Und sagt dir, sagt dir dass alles besser wird Und dass die Hoffnung als aller Letztes stirbt
Ja wenn du denkst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo diese Mukke her Und sagt dir, sagt dir dass alles besser wird Und dass die Hoffnung als aller Letztes stirbt

Jan und Kristof haben Recht, Musik hilft, ob im Chor zu singen, Knopfler, Peter Fox, Enigma oder Bach zu hören, es hilft. Danke! Es ist allemal besser, als es wie das Schaf aus Rainers Kulturecke zu machen und sich mal so richtig gehen zu lassen. (Schade, es ist nicht mehr online, sollte ich es nochmal finden, setzte ich es hier hin)
Das habe ich ja schon zur Abschiedsparty getan.
Cheers!

20.11.2010


First Thanksgiving

Während in Deutschland die Weihnachtsmärkte öffnen, die Geschäfte voller werden, weil der erste Advent schon in einer Woche ist, bereiten sich die gesamten USA zunächst mal auf Thanksgiving vor. Wie war das noch?

You can’t understand the natives if you don’t understand their traditions, but you can’t understand the traditions if you don’t understand the natives.

Erst Halloween und nun Thanksgiving! Warum essen die Amerikaner Truthahn, warum Süßkartoffeln, warum feiert man Erntedank so spät im Jahr, fast erst zur Weihnachtszeit und was hat dieses Fest mit Amerika zu tun. Warum ist es das wichtigste Familienfest überhaupt. Fragen über Fragen. Ich habe gegooglet und weiß nun mehr, ich habe aber auch Fernsehen geschaut und eine Antwort gefunden, die ich Euch nicht vorenthalten will. Wer 23 Minuten Zeit hat, sollte sich dieses historische Meisterwerk von Charles M. Schulz nicht entgehen lassen. Ich wusste immer, dass er mehr als nur der Vater der Peanuts ist. Er ist Amerika! Und er hat fast all meine Fragen in diesem netten Film beantwortet.

This is America, Charly Brown: The Mayflower Voyagers


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Beide Bilder: google sei Dank!

Ich weiß nun, dass die Pilgrimfather 1621 ihr erstes Thanksgivingfest feierten. Sie waren dankbar, da sie ihr erstes Jahr in Amerika überlebt hatten, die erste Ernte eingetragen war, nach wirklich schwerer Zeit. Sie mussten sich ihre Häuser selber bauen, sich selber um ihre Nahrung kümmern und alles ohne festen Vertrag, Unterstützung der Firma und Relocation Agent. Moment! … Das stimmt nicht ganz: War da nicht Squanto, ein Englisch sprechender Indianer? Er half ihnen. Er gab ihnen Mais zum anbauen, zeigte ihnen wie sie an Nahrung kamen und unterstützte sie so, selbständig zu werden, sich in diesem Land zu Recht zu finden und so zu überleben. Hätten sie damals schon eine Social-Security-Number gebraucht oder einen lokalen Führerschein, hätte er ihnen wahrscheinlich auch dabei geholfen.

Squanto, der erste Relocation Agent Amerikas.


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Als ich heute einkaufen war, sah ich die Kühlregale, die mit Truthähnen voll gestopft sind, Cranberrys und Süßkartoffeln die in Massen angepriesen werden, für Veganer gibt es Tofurkey, Truthahnersatz aus Tofu und ich sah viele geschäftige Menschen, die sich fragen, ob sie auch schon an alles für die Feiertage gedacht haben. Die Hektik ist ein wenig mit den letzten Tagen bei uns vor Weihnachten zu vergleichen und ich kann das alles einfach nur entspannt beobachten. Ich kenne dieses Fest nicht, es beschäftigt mich eher wissenschaftlich als emotional. Ich bekomme keinen Besuch, muss mich um niemanden kümmern und nicht mal Nobbi ist da, denn er ist beruflich in Deutschland. Bis eben dachte ich, dass ich nichts, gar nichts mit Thanksgiving zu tun habe. Aber nun sehe ich plötzlich die Parallelen. Mein Squanto heißt Uli und sie feiert mit ihrer Familie, aber vielleicht sollte ich ihr noch schnell eine Thanksgivingskarte schreiben und mich bei ihr für die Unterstützung bedanken. Sie hat mir zwar nicht gezeigt, wie man Mais anbaut, aber wo ich welchen bekomme, sie hat mir nicht gezeigt, wie man im Fluß die besten Fische fängt, aber hat mit mir die Social-Security-Number beantragt und ich weiß, wenn ich Fragen habe, kann ich sie jederzeit anrufen.

Ich bin dankbar, auch wenn ich das vor lauter Heimweh manchmal vergesse. Wir haben ein schönes Haus gefunden, müssen keinen Hunger leiden und dürfen in diesem großen Land Dinge erleben, die nicht selbstverständlich sind.

On Thursday we will celebrate our first Thanksgiving in America. I think the Pilgrimfathers had also to fight with homesickness but nevertheless they were thankful for the harvest and the help they have gotten from Squanto.

23.11.2010


You Tube; Pink Floyd: Money
(wie immer: rechter Mausklick, neuen Tab öffnen, zurück zur Kolumne, erst lesen, wenn die Musik beginnt!!!)

Money

Als ich vor etwa 25 Jahre mal im Schwabenland einen Kaffee trinken war, bezahlte ich mit gesammelten 2, 5 und 10 Pfennigstücken. Ich hatte ein leicht schlechtes Gewissen und dachte, dass die Kassiererin sich fürchterlich aufregen würde, aber sie lachte und sagte: „Hajo, isch au Geld, wemma nua Sägg voll hänt!“ (ich weiß nicht ob es einen Internet-Übersetzer schwäbisch-deutsch gibt: „Ach, das ist auch Geld, wenn man nur Säcke voll hätte!“)

Die Schwaben! Sie haben eine gesunde Beziehung zum Geld.

Damals gab es die gute alte D-Mark noch. Inzwischen zahlen wir in Europa mit dem Euro. Ich habe mich an ihn gewöhnt. Das Umrechnen im Kopf, wenn ich den Wert einer Sache wissen will, ist zum Automatismus geworden. Schnell verdoppeln und ich weiß, was es kostet. (Ja, ich rechne immer noch um, und das nach 8 Jahren Euro.)

Ich habe mich mehr als an den Euro gewöhnt, ich mag ihn, ich finde die Münzen schön, auch die bunten Scheine, ich habe nur immer noch leichte Schwierigkeiten, die 20 Cent Münze auf Anhieb zu identifizieren, wenn ich auf den Cent genau bezahlen möchte, ich drehe sie, bis ich die Zahl lesen kann, damit ich sie nicht mit 50 oder 10 Cent verwechsle. Dabei ist das eigentlich Unsinn, denn sie ist viel größer als 10 Cent und viel dünner als 50 Cent.

Nun bin ich in den USA und die Währung heißt Dollar, ich rechne im Zweischrittsystem, erst Dollar minus 30 Prozent, damit ich den Wert in Euro habe und dann mal zwei!

Zahlen tue ich in der Regel immer mit Kreditkarte, erstens, weil es hier üblich ist, und das nicht nur beim Supermarkteinkauf, sondern auch wenn man nur einen Kaffee möchte. Zahlen mit der Kreditkarte geht fast immer. Ich hätte sogar bei einer Hilfsorganisation, die auf der Straße für die Pakistanischen Flutopfer sammelte, mit Kreditkarte zahlen können. Dennoch gibt es Geld, Scheine und auch Münzen.

Vor ein paar Wochen hatten wir Schwierigkeiten mit unserem Kreditkartenanbieter. Er hatte einen Dreher in unserer Hausnummer und so sperrte er für ein paar Tage die Karten. Also musste ich bar bezahlen. Das ist gar nicht so einfach.

Die Scheine sind alle in sanften Grüngrautönen gehalten, vielleicht mal ein Hauch lila, aber es sieht alles gleich aus, 1, 5, 10, 20 oder was auch immer für eine Dollarnote. Aber damit nicht genug, sie lassen sich nicht nur farblich nicht unterscheiden, sie sind auch noch alle gleich groß. Die Eindollarnote ist auf dem gleichen Papier gedruckt, wie die 100 Dollar Note. Man steht also an der Kasse und wühlt in einem Stapel gleich aussehender Scheine, die man nicht auseinander halten kann, die Schlange hinter einem wird immer länger und man liest!!! die Zahlen, um das Geld passend zu Recht zu suchen.


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Zurück bekommt man dann einen Haufen Kleingeld, Münzen, die einem völlig fremd sind. Daher zahlt man auch nie mit Münzen und so werden es immer mehr. Das Portemonnaie quillt über, aber Münzen zu suchen, dauert noch länger als Scheine.


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Da stand ich nun an der Kasse und wurde tatsächlich gefragt, ob ich es auch kleiner hätte. Die Kassiererin sah mein vor Münzen platzendes Portemonnaie. Yes…, sagte ich, dann eben in klein. Ich suchte und suchte. Auf den Münzen stehen gar keine Zahlen. Sie schreiben Wörter drauf! Na gut, ganz so schlecht sind meine Augen noch nicht, ich kann es lesen, muss mich aber anstrengen. One cent und five cent, das ist einfach. Aber dann; one dime! Was ist das denn? Sieht ein bisschen wie das Niederländische Dubbeltje aus, also 10 Cent. Quarter Dollar, nun auch noch rechnen; ok, 25 Cent. Und zu allem Überfluss ist das 5 Cent Stück auch noch größer, als der Dime, was wir zwar auch kennen, aber beide sind silbern. Das ist schon alles sehr verwirrend. Ich bin nur froh, dass sie im Zehnersystem rechnen, sie hätten ja auch ein Sechser, Zwölfer oder gar Duodezimalsystem wählen können.

Ich musste Irgendetwas,78 bezahlen und suchte nun die passenden Münzen. Auf der Suche nach einem 50 Cent-Stück mischte sich die Frau, die neben mir stand, ein, sagte: „Excuse me,“ und wühlte mit mir zusammen in meinem Münzfach, lächelte verständnisvoll, dass es ihr in Europa auch immer so gehe, und ich meinte; wir haben wenigstens Zahlen drauf! Ich bekam von der anderen Kundin und der Kassiererin eine rasche Einführung in die amerikanischen Münzen und versprach zu Hause zu lernen. Diesmal nicht Vokabeln, sondern Münzen. 50 Cent hatte ich nicht, habe ich auch bis jetzt noch nie gesehen, laut Wikipedia gibt es aber eine Half Dollar Münze und auch die 1 Dollar-Münze habe ich noch nie gesehen, einzelne Dollars kenn ich nur in Scheinen.

Das ist inzwischen ein paar Wochen her. Ich habe mir das Geld angeschaut, dran gewöhnt habe ich mich immer noch nicht und mein bevorzugtes Zahlungsmittel bleibt die Kreditkarte. Dennoch geht mir der schwäbische Satz immer wieder durch den Kopf, wenn ich mir das Münzfach meines Geldbeutels anschaue.

Oh, it’s also money, if you would have just sacs of it.


25.11.2010


You Tube; Tracy Chapman, Cold Feet
(wie immer: rechter Mausklick, neuen Tab öffnen, zurück zur Kolumne)


Cold feet

Nach dem letzten cool down wurde es wieder warm. Novemberwärme hat etwas ganz Besonderes. Während die Menschen in Deutschland sich über Dauerregen und Kälte beklagten, stand ich im Garten und wässerte die Pflanzen, die ihr Laub noch nicht verloren hatten und tatsächlich noch blühten. Mitte November bei weit über 20°C.

Kalifornien!

Aber nun, rechtzeitig zu Thanksgiving ist auch hier das Wetter winterlich. Ja winterlich! Heute Nacht war es hier auf dem Hügel eisekalt, auf den Autodächern waren Eiskristalle und es lag Raureif auf der Straße und den Pflanzen am Boden. Stellenweise war sogar die Erde etwas angefroren.


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Dabei ist die Luft knochentrocken und klar. Sie riecht nach Winter. Ich wusste nicht, dass es hier überhaupt so kalt werden kann, aber ich freu mich drüber. Ich suchte meine Mütze und meine Handschuhe und machte einen schönen Spaziergang mit den Hunden. So klar hat man San Jose noch kein einziges Mal in diesen 4 Monaten, in denen wir nun hier sind, gesehen.


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Aber die Kälte ist nicht nur draußen, sondern auch im Haus. Bisher habe ich mich tapfer gegen die Benutzung unserer eigenartigen Stromradiatoren gewehrt, da ich es aus ökologischen und finanziellen Gründen ablehne, mit Strom zu heizen. Aber nun geht es nicht mehr anders. Wenn ich am Computer sitze, dann bin ich wie ein Burrito in eine Wolldecke gewickelt, bin froh, wenn ich mein Headset aufhabe, damit ich warme Ohren habe, und meine Füße sind und bleiben kalt. Ganz kalt, so kalt, dass ich, wenn ich mich abends ins Bett lege, aufpassen muss, dass ich nicht aus Versehen meine eigenen Waden mit den eiskalten Füßen berühre.

Schluss mit Öko und mit Sparen, so geht das nicht weiter. Prinzipien sind dafür da, über den Haufen geworfen zu werden. Und wenn die Amerikaner den höchsten Stromverbrauch pro Kopf in der Welt haben, dann passe ich mich dieser Sitte jetzt im Winter eben an, denn ich möchte keine kalten Füße mehr haben.

Die Benutzung der Radiatoren ist ganz einfach. Man dreht jeden einzeln an und jeden einzeln wieder aus, je nach Bedarf. Es gibt in den meisten Räumen drei Radiatoren, in den Badezimmern dafür gar keine. Die Badezimmer verfügen über eine Lüftung, die auch warm blasen kann, aber mir ist es bisher noch nicht gelungen, das Badezimmer so warm zu bekommen, dass ich es gerne benutze. Na, wenn das Haus so kalt ist und man die ganze Zeit friert, dann schwitzt man ja auch nicht und so kann man dann eben mal aufs Duschen verzichten.

I hope that I'm going to figure out how to use the heater in the bathroom otherwise I take the next shower with goose-skin and cold feet.


25.11.2010


Black Friday

Gestern war Thanksgiving, heute ist Black Friday. Thanksgiving ist immer am 4 Donnerstag im November, viele Menschen nehmen sich den Freitag frei und haben somit Zeit, mal so richtig einkaufen zu gehen. Black Friday, der Startschuss für die Weihnachtseinkäufe.

Seit Wochen schon findet man in den Geschäften, Fernseh- und Radiowerbungen und den Reklameblättchen, die den Briefkasten füllen, Hinweise auf die absolut spektakulären Black Friday Angebote. Es ist vergleichbar mit dem WSV oder SSV Wahn, der zwar irgendwann abgeschafft wurde, den es aber trotzdem noch gibt.

Heute ist Black Friday Sale.

Die Geschäfte gewähren sehr große Rabatte. Schnäppchenjäger mussten sich den Wecker früh stellen oder am Besten gar nicht ins Bett gehen, da die Geschäfte schon mitten in der Nacht öffneten. Manche Kaufhäuser machten um 4.00 Uhr Nachts auf, andere um 5.00 Uhr und im Radio habe ich von einem gehört, dass schon ab Mitternacht öffnete.


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(Bilder alle: google sei dank)


In Europa, Der Anfang, Househunting
(weit runterscrollen, das war eine der frühen Kolumnen)
erwähne ich die menschlichen Jäger, auch den Schnäppchenjäger. Die Not des Jägers muss schon sehr groß sein, unter so extremen Bedingungen zu jagen. Wenn sich ein Jäger auf der Jagd selber in Gefahr bringt, dann ist der Überlebensdruck gewiss sehr hoch. Und es besteht kein Zweifel, dass nachts in der Kälte stehen und sich dann in solch ein Gedränge zu stürzen, alles andere als eine sichere Art des Einkaufens ist.

Ich kann das nicht verstehen. Kein Prozent dieser Welt ist es Wert, meinen kostbaren Nachtschlaf zu opfern, auch nicht 70 auf einmal! Aber ich muss ja auch nicht. Ich kann mir die Bilder der Massenanstürme im Fernsehen oder im Internet anschauen und den Freitag ausgeschlafen, mit warmen Füßen (die Elektroradiatoren bekommen tatsächlich das Haus warm) und einer leckren Tasse Kaffee beginnen.

Wir feiern heute erst Thanksgiving, da ich mich während der First Thanksgivings Kolumne entschied, doch zu feiern. Es gibt soviel, für das wir zu danken haben. Und wenn die Eingeborenen das mit einem Truthahn tun, dann wollen wir das auch mal probieren. Da Nobbi aber erst heute Abend aus Deutschland zurückkommt, essen wir unseren Truthahn eben heute erst. Der 7 Kilo Vogel wartet im Kühlschrank, darf ab heute Mittag in den warmen Ofen und ich hoffe, dass ich das Einstellen der Fahrenheit-Temperatur diesmal unter Kontrolle habe, damit unser Truthahn zwar schön knusprig wird, aber nicht verbrennt.

If the oven is too hot, my turkey won’t be only crisp, it will be also turn to black. And this would be really a black Friday.



26.11.2010


Loud Hissing

Lautes Fauchen

Das ist die zweite Kolumne, die ich heute schreibe, was raus muss, muss raus. Die erste schrieb ich vor dem Morgenspaziergang. Das mache ich extra so, weil ich ja nicht so früh mit den Hunden spazieren möchte, um die Gefahren der Dämmerung zu umgehen.

Nun, in den ersten Wochen fühlte ich mich auf den Spaziergängen immer etwas unsicher. Geräusche ließen mich aufschrecken und nur die Schönheit der Umgebung, harmlose Tiere, die ich entdeckte und nicht zuletzt meine eigenen Hunde entspannten mich. Inzwischen gehe ich so gelassen spazieren, wie ich das gewohnt bin und wie die Eingeborenen, die ich hier und da mal treffe.

Vor etwa zwei Wochen traf ich einen ganz besonderen Eingeborenen, einen stattlichen Kojotenrüden. Er stand auf dem Weg etwa 25 Meter vor mir und schaute mich an. Er war groß für einen Kojoten und auch recht wohlgenährt, aber eindeutig ein Kojote. Lissy hatte ich schon an der Leine, Ceallagh rief ich zu mir und nahm auch sie an die Leine, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommt. Ich war völlig fasziniert. Angst hatte ich keine, ich war einfach nur begeistert. Ich kramte nach meinem Handy, da ich ein Bild machen wollte, da trottete er leider davon. Er blieb aber auf seinem Weg in Wald noch einmal stehen, schaute über seine Schulter nach uns und auf ein schnalzendes Geräusch von mir, drehte er sich noch mal ganz um, ruhig, gelassen, einfach etwas neugierig. Er war nun etwa 50-80 Meter von uns weg und ich knipste mit dem Handy, aber die Bilder sind alle nichts geworden, da die Sonne über ihm stand und man auf den Bildern gar nichts erkennt. Diese Begegnung erweckte einfach nur Freude in mir.

Vorhin auf meinem Spaziergang, den ich zunächst übrigens sehr genoss, da der Boden im Schatten gefroren ist, die Luft glasklar aber die Sonne trotzdem ganz warm auf der Nase ist, hatte ich eine akustische Begegnung, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ich weiß, ich bin ein Angsthase, aber es klang wirklich gefährlich. Ich übte gerade mit beiden Hunden gleichzeitig „nah bei mir gehen“, als plötzlich heftigstes Fauchen aus dem Gebüsch kam. Aggressiv, laut und eine deutlich andere Stimmlage, als bei Hauskatzen. Instinktiv leinte ich, so schnell ich konnte, beide Hunde an, richtete mich auf und rief: „Gib Laut!“ Wir sollen doch Krach machen! Die Hunde bellten beide und fingen sofort an an der Leine zu ziehen. Ich hatte Angst und blieb stehen, sehen konnte ich nichts, aber das Fauchen kam aus dem Gebüsch neben mir und klang nach ziemlich großem und sehr wütendem Katzentier. Ob es der Luchs war, den ich hier schon gesehen habe oder der Puma, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob wir überhaupt gemeint waren, denn welche Katze ist so dumm sich auf Entfernung durch Fauchen zu verraten. Ich beschloss jedenfalls aufrecht gehend und Krach machend ganz langsam weiter zu gehen. Die Hunde halfen, indem sie immer wieder bellten. Beide Hunde waren absolut aufgeregt und ganz egal, was es gewesen ist, Lissy war definitiv kampfbereit.


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(Bilder alle: google sein dank!)

Ob Luchs oder Puma, ich
möchte keinen von beiden
ernsthaft verärgern.

Mein Puls raste und so ruhig ich bei dem Kojoten war, den ich Vis-a-vis gegenüber stehend hatte, waren meine Empfindung diesem großen Katzentier gegenüber, was ich nur hörte und nicht sah, alles andere als mutig. Gerade dass ich nichts sah, machte mich so nervös. Ich hatte Sorge, dass ich von hinten angesprungen werde. Beruhigte mich aber selber, weil dann die Hunde sich doch umgedreht hätten.

Ich weiß nicht mal, ob wir mit dem Fauchen gemeint waren. So wie ich Katzen einschätze, fauchen sie nur, wenn sie sich unmittelbar bedroht fühlen. Entweder waren wir also zu nah, dass der Felide sich direkt bedroht gefühlt hat, oder das Katzentier hat etwas anderes angefaucht. Ganz egal, ich habe irgendwo gelesen, eine fauchende Katze sollte man besser in Ruhe lassen. Und wenn das schon für Hauskatzen gilt, dann möchte ich mit wilden Katzen da auf gar keinen Fall diskutieren.

Interessant ist aber, dass ich beim Suchen nach Artikeln, die ums Fauchen und um Wildkatzen gehen, gefunden habe, dass der Puma gar keine Großkatze ist. Er wird in der Systematik zu den Kleinkatzen gezählt, ist somit die größte Kleinkatze überhaupt und deutlich größer als so manche kleine Großkatze. Kleinkatzen können alle Schnurren, Großkatzen können dies nicht.

I met a loud hissing cat, maybe a lynx or a mountain lion, however small or big, I would prefer a purring one.


29.11.2010


Behind the wheel driving test

Kaum zu glauben, aber das ist der offizielle Name der praktischen Führerscheinprüfung.
Diese Hürde war für mich noch zu nehmen, um endlich the California driving license zu bekommen und damit ein ID-Kärtchen, dass Verkäufer, Bankangestellte und andere Menschen, die es sehen wollen, nicht immer aufstöhnen lässt.

Nobbi hatte seine Prüfung bereits vor 14 Tagen, er hat ohne Fehler bestanden. Samuel ist in zwei Wochen dran. Ich hatte heute meinen Termin.

Objektiv betrachtet ist die praktische Führerscheinprüfung in Kalifornien für Menschen, die schon einen Führerschein in einem anderen Land gemacht haben, einfach und ohne Probleme zu bestehen. Objektiv betrachtet! Aber ihr lest ja nicht meine Kolumne, weil ihr objektive Berichte wollt, da wäret ihr mit einem Kalifornienführer von dumont oder Büchern von Auswanderern für Auswanderer oder deren Sympathisanten besser bedient. Ihr lest, weil ihr meine subjektive Sichtweise lesen wollt.

Seit Tagen quälte mich maximale Aufregung. Ich war noch nie ein Prüfungsmensch, nein, ganz so stimmt das nicht. Schriftliche Arbeiten mochte ich immer sehr und eigentlich ist das auch heute noch so. Aber sowohl mündliche, wie auch praktische Prüfungen erwecken absolute, meist völlig unbegründete, aber dennoch nicht weg zu atmende Panik in mir. Schon Tage vorher bekomme ich Herzrasen, Schweißausbrüche, Angstanfälle und muss dauernd aufs Klo. Ich habe mich tatsächlich schon professionell beraten lassen und weiß, wie ich dem begegnen kann, komischer Weise fiel mir das heute aber nicht mehr ein. Nobbi versuchte mich gestern noch zu beruhigen, das sei alles gar nicht schlimm, Samuel meinte: „Mama, du kannst doch Auto fahren, du schaffst das schon!“

Na und? Angst habe ich trotzdem.

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Ich war ein ziemliches Nervenbündel. Auf dem DMV (Department für Motorvehicle) musste ich noch eine halbe Stunde warten, ich saß wie versteinert da, bis ich dran war. Ich war ja nicht nur wegen der Prüfung aufgeregt, sondern auch wegen der Sachbearbeiter. Aber diesmal hatte ich Glück. Niemand mit dem ich irgendetwas diskutieren musste. Alles lief glatt. Dann sollte ich meinen Wagen holen und mich in die Autoschlange zum driving test stellen. Noch mal eine halbe Stunde warten und noch mal sitzend. Mir war kalt, ich zitterte. Mein Herz schlug laut und dann endlich war ich das erste Auto in der Schlange und mein Prüfer trat zu mir.

Oh weia, ein Nuschler! Davor hatte ich am allermeisten Angst. Ich fall bestimmt durch, weil ich ihn nicht verstehe. Aber er beruhigte mich, als ich ihm ehrlich sagte, dass ich mit dem Verstehen Probleme hätte, ich solle ihn einfach noch mal fragen, wenn ich etwas nicht versteh.

Als erstes kontrolliert der Prüfer immer, ob das Auto in Ordnung ist; Blinker, Hupe, Bremsleuchten, Licht, dann will er, dass man ihm die Handzeichen zeigt, die man machen muss, wenn die Blinker mal kaputt sind. Als nächstes möchte er dass man ihm Fußbremse, Scheibenwischerhebel, Warnblinklicht- und Gebläseknopf zeigt. Und da fing das Problem schon an.

Er sagte: „Jörnsybräk!“ Und ich verstand es nicht. Das war doch finnisch! Ich fragte nach und er wiederholte: „JÖRNSYBRÄK!!!“ Lauter, aber keineswegs deutlicher! Thank you. Ich hab so was wie brake gehört, da meint er bestimmt Handbremse (Emergencybrake wahrscheinlich). So war es. Ich wusste zum Glück was er sehen wollte, kannte nur die Reihenfolge nicht. Ich ordnete die Knöpfe dem am besten dazu passenden Laut zu. Das klappte gut.

Dann stieg er ein und wir fuhren los. Left und right verwechselte ich nicht. Ich fuhr langsam, schaute immer in alle Spiegel und toten Winkel und alles lief gut. Aber dann: „At the Intersection right!“ Also Blinker, Spiegel, aber er sagte: „No, not here. Intersection!“

Ach, mit Intersection meint er also die große Kreuzung und nicht die Straße die da reingeht. Mhm, hätte man ja wissen können, aber nicht mit mehr Adrenalin als Hämoglobin im Blut! An der Kreuzung setzte ich wieder den Blinker, die Ampel war rot und ich stoppte, schaute mich gut um, entdeckte auch kein -no right turn- Schild und wollte gerade losfahren, da fragte er, ob ich wüsste, auf welcher Spur ich sei. Ich schaute und sagte ganz kleinlaut: „Oh, I better drive ahead!“ Netter Mensch! Hätte er nichts gesagt, wäre ich durchgefallen. Da war doch tatsächlich eine eigene Spur zum Rechtsabbiegen, versteckt neben dem Fahrradweg, unter normalen Umständen nicht zu übersehen, aber so…ich habe sie wirklich erst gesehen, als er mich darauf aufmerksam machte.

Ich habe bestanden, weil ich nicht rechts abgebogen bin, wo ich hätte abbiegen sollen, da ich ja auf der Geradeausspur stand. Das war der einzige Fehler. Gott sei Dank ist das vorbei. In sechs bis acht Wochen kommt nun der Führerschein mit der Post.

Ganz subjektiv bin ich heute ein Stück durch die Hölle gegangen, aber schwer war es wirklich nicht. Im Gegenteil, der wohlwollende Prüfer hat mir geholfen den Test zu bestehen.

I’m very thankful for the hint with the right lane. In January I will get my ID and then I can buy a lot of beer and wine without questions to celebrate the success.


6.12.2010


Birdwatcher

Ornithologen sind komische Vögel, sie stehen in der Regel vor Sonnenaufgang auf, können Vogelstimmen auseinander halten und diese der Vielzahl an Federvieh auch noch zuordnen, am meisten Spaß habe ich an ihnen, wenn sie die Laute der Vögel nachahmen, kunstvoll pfeifen oder tirilieren. Nicht jeder Vogelliebhaber ist ein Ornithologe, es gibt auch Menschen, die Vögel einfach nur beobachten, ohne das zum Beruf oder als Hobby zu haben.

Ich habe schon die ein oder andere vogelkundliche Wanderung in Deutschland mitgemacht und finde Vögel toll, aber ich brauche ein Bestimmbuch und muss Bilder sehen, um einen Vogel zu bestimmen, akustisch habe ich das noch nie hinbekommen, außer vielleicht beim Waldkauz und dem Kuckuck. Hier am Haus muss man das auch nicht akustisch, da man sehr viele Vögel sieht, wenn man aus dem Fenster schaut oder ganz leise einfach nur in der Gegend herum steht.

Nun, ich erwähnte schon in einer früheren Kolumne die vielen tollen Vögel. Mühselig versuchte ich durch Internetrecherche den ein oder anderen zu bestimmen, da ich erstens meine eigenen Bestimmbücher immer noch nicht gefunden habe (es gibt noch eine Vielzahl an unausgepackten Bücherkisten in der Garage) und außerdem sind das europäische Bücher mit europäischen Vögeln.

Ich weiß, ich könnte einfach in ein Geschäft gehen, mir ein Bestimmbuch kaufen und alles wäre gut. Aber ich könnte so vieles und tu es trotzdem nicht.

In Los Gatos gibt es ein Geschäft, das heißt Birdwatcher. Ich hielt es immer für so einen Laden, in dem man Vogelfutter für hübsche Vogelhäuschen kaufen kann und Windräder, Vogeltränken und Tonschalen für Kressesamen. (In Aachen gibt es auch so einen Laden.) Ich bin bis jetzt nie in diesen Laden gegangen und habe auch nie weiter über den Namen reflektiert.

Nun war ich mit Jonathan auf der Suche nach einem Wichtelgeschenk für die Weihnachtsfeier seiner Klasse. Wir standen vor dem Laden und gingen einfach mal rein, wir wussten nicht was wir suchten. Es gibt genau das zu kaufen, was ich oben beschreibe, aber darüber hinaus noch ein Regal mit unzähligen einheimischen Plüschvögeln, die auch noch zwitschern, wenn man ihnen auf den Rücken drückt. Ich hatte meine helle Freude, weil ich all meine gefiederten Freunde des Hügels wieder traf, in Plüsch! Und dann noch die Handpuppen; Truthahn, Kondor, Eule und Falkennest…Aber nicht nur das, es gibt auch ein Regal mit vielen Bestimmbüchern und wirklich guten noch dazu. Gute Bestimmbücher haben exakte Zeichnungen, sind umfangfangreich, aber trotzdem übersichtlich. Ich schmökerte und fand eine Menge Antworten auf Fragen der letzten Monate.

Jonathan fand ein gutes Wichtelgeschenk und ich unterhielt mich mit dem Ladenbesitzer, während seine Frau das Geschenk verpackte. Er zückte sein privates, uraltes Bestimmbuch, es war schon ganz zerfleddert, zeigte mir all die Vögel, die ich suchte und nun weiß ich, warum der Laden Birdwatcher heißt. Er ist es selber, der die Vögel beobachtet.

Ich fragte mich immer, wie die blauen Vögel heißen, nun weiß ich es, wir haben verschiedene. Hier oben am Haus fliegt der Western Scrub Jay (Buschhäher), im Wald findet man den Stellar Jay, das ist ein wunderschöner blauer Eichelhäher und auch Bluebirds gibt es hier.


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Western Scrub Jay

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Stellar Jay



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Bluebirds

Dann fragte ich mich, warum die meisten Kolibris grün-grau sind, aber hier und da mal einer mit einem roten Kopf dabei ist. Ich fand heraus, dass das gar kein roter Kopf ist, sondern eine knallrote Kehle und so die Männchen aussehen. Der Kolibri heißt Ruby-throated Hummingbird und nur die Männchen haben diese rote Kehle.


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Ruby Throated Hummingbird


(Bider alle fünf: google sei Dank)

Das sind die Schönsten da sie durch ihre prächtige Farbe ins Auge stechen oder durch ihre geringe Größe und Flugfertigkeit auf sich aufmerksam machen. Hunderte mir unbekannte Vögel warten darauf, dass ich auch sie beim Namen nennen kann, aber einfach wird das nicht.

I am not a birdwatcher, but I watch birds, every day and I would like to know which is which.



10.12.2010


Holidays

Adventszeit, das Wort gibt es schon, „Advent season“, aber ich musste es bei Leo nachschauen, ich habe es hier noch keinmal gehört. Im Radio und im Fernsehen höre ich ständig das Wort holidays, Feiertage sind damit gemeint, nicht Ferien.

Die Häuser sind geschmückt mit Ganzhauslichterketten, aufblasbaren Schneemännern und Riesenschleifen in rot. Vor den Supermärkten stehen Menschen mit Santa Claus Mützen, bimmeln eine Glocke und sammeln für Bedürftige. Mir fehlen die Lebkuchen in den Supermärkten, die Nikoläuse aus Schokolade und Dominosteine. Dafür gibt es überall und in allen Größen spazierstockförmige Zuckerstangen, die man an den Weihnachtsbaum hängen kann.

In Los Gatos gibt es einen Park mit einem Bimmelbähnchen für kleine Kinder, der holidaytrain fährt nun auch im Dunkeln. Bin ich froh, dass meine Kinder aus diesem Alter raus sind. Ich musste nur zum Schulweihnachtsmarkt.


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Impressionen vom Schulweihnachtsmarkt, es gab Theater, unser Chor hat gesungen und als das Blasorchester spielte war plötzlich keiner mehr da.


Ich schreibe aber gar nicht, um euch von der Vorweihnachtszeit in Amerika zu erzählen, nur so viel: die Klischees sind alle belegt und ich denke, dass ich nächstes Jahr eine Adventskolumne schreibe.

Dieses Jahr nicht!

Mir ist nicht danach. Mir ist überhaupt nicht danach über Amerika zu schreiben, ich bin urlaubsreif. Das heißt auf Englisch „to be ready for a holiday“…und da schließt sich der Kreis. Die einen sprechen von den Feiertagen, die anderen von Urlaub. Ist das ein englisches Teekesselchen?

Urlaubsreif bin ich nicht von zu viel Arbeit oder Stress, wie die meisten urlaubsreifen Menschen. Ich bin urlaubsreif von diesem großen Land, indem ich nun lebe. Ich habe gerade gar keine Lust mehr Englisch zu sprechen, auf „thank you“ „your welcome“ zu hören, Angst zu bekommen, wenn ich ein Polizeiauto sehe, Gramm in Unzen und Pfund umzurechnen und 65 Meilen zu fahren, wo 65 Meilen steht. Wenn ich staubsauge fällt der Stecker aus der Wand, weil Amerika zwar schon in den 60ern des letzten Jahrhunderts zum Mond fliegen konnte, es aber immer noch nicht geschafft hat, vernünftige Steckdosen zu entwickeln. Urlaubsreif, weil die Hunde nach jedem Spaziergang um die 20 Zecken haben und zwar jeder!, weil es hier nicht so kalt wie in Deutschland ist, urlaubsreif, weil die vorweihnachtliche Hektik und die Menschen die darüber schimpfen fehlen, urlaubsreif, weil ich finde, dass die Weihnachtszeit zu Hause eine ganz besondere Zeit ist und ich mich hier immer noch nicht zu Hause fühle. Nicht weil ich keine Lebkuchen habe, sondern weil mir mein altes Umfeld fehlt.

Eigentlich wollte ich keine negativen Kolumnen schreiben, ich will auch nicht undankbar erscheinen, ich weiß was für ein Glück ich habe, hier sein zu dürfen, aber ich stecke halt in einer völlig normalen Krise. (Erfahrene Expatweibchen sagen: „Das erste Jahr ist das Schlimmste!“) Ich könnte langweilige Vogelkolumnen schreiben oder schweigen. Das erste habe ich schon, das zweite liegt mir nicht.

In einer Woche fliegen wir nach Deutschland. Urlaub zu Hause! Noch nie habe ich mich so auf einen Urlaub gefreut.

We will visit our families and a lot of our friends. The best vacations are those that are like coming home.


12.12.2010


Groceries

An die Lebensmittel, die es hier gibt, musste ich mich erst einmal gewöhnen. Alles schmeckt ein bisschen anders, manches schmeckt erheblich anders und vieles schmeckt gar nicht.

Nun sind wir schon über vier Monate hier, ich weiß, wo ich was bekomme, welche
original! italienischen Nudeln nach Zimt schmecken (den Italiener will ich sehen, der Zimt an seine Nudeln tut! Wahrscheinlich ist er des Landes verwiesen worden und nach Amerika ausgewandert) und welche nicht. Ich musste mich so durchprobieren. Das Pfund ist kein Pfund, sondern nur 454 Gramm, Milch gibt es in halben und ganzen Gallonen zu kaufen und am besten man kauft die in der roten Verpackung.

Schokolade scheint in Amerika nicht ganz so beliebt wie in Deutschland zu sein, was wohl daran liegt, dass sie dem amerikanischen Gaumen nicht süß und nicht künstlich genug ist. Aber es gibt welche, sogar Toblerone und Rittersport, aber Importprodukte sind teuer. Gummibärchen und Fruchtzeug sind hier so bunt wie bei uns in den frühen 80ern des letzten Jahrhunderts. Man darf hier noch viele E-s in die Lebensmittel tun und so schmeckt es auch. Vieles ist viel süßer als mein Geschmackssinn es überhaupt verträgt (siehe Cupcake!).

Anderes ist dafür gar nicht gesüßt und auch gar nicht gesalzen, damit es gesund ist und nach nichts schmeckt. Es gibt ungesalzenen Thunfisch in der Dose (ich frage mich ja, wie die das natürliche Salz aus dem rauskriegen, der lebt doch im Meer) und ungesüßtes Apfelmus. Wenn man es nicht nachsalzt oder nachsüßt, könnte man den Thunfisch über den Pfannkuchen tun und das Apfelmus auf die Pizza, das würde gar nicht auffallen. Also Augen auf beim Einkaufen und immer schön lesen, was auf den Produkten steht.

Die Kartoffeln sind furchtbar und das obwohl sie doch ihren Ursprung in den Anden haben, also aus dem gleichen Kontinent stammen. Wir kochen gar keine Kartoffeln mehr. Sie sind immer so, wie bei uns Frostkartoffeln, so ein bisschen gläsern. Im Backofen werden sie ganz lecker. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum man sie lieber frittiert zubereitet, obwohl hier selbst die Fritten gläsern sind.

Die Liste der komischen Lebensmittel ist lang, mit der Zeit findet man sich zu Recht. Erstens probiert man ständig aus und zweitens kenne ich inzwischen genug deutsche Frauen, die mir Tipps geben, wo ich was bekomme und wie ich mir helfen kann. Wenn man bereit ist rum zufahren, dann könnte man fast alles bekommen, was man möchte.

Aber auch wenn ich genug Zeit habe, widerstrebt es mir durch das gesamte Valley zu fahren, nur um Mettwurst beim deutschen Metzger oder festes Brot beim deutschen Bäcker zu kaufen. Wie gut, dass Nobbi durch die ganze Welt reist, immer nur mit Handgepäck. Er war nun innerhalb von 3 Wochen zweimal in Deutschland und hat eingekauft, bzw. einkaufen lassen und nimmt jedes Mal eine volle Reisetasche mit zurück. Backutensilien, deutschen Schnuckerkram, Klöße, Kaffee im vernünftigen Pfund und nicht nach Parfum schmeckend, Lebkuchen, Löwensenf, Tempotaschentücher und viele Kleinigkeiten, die man auf Dauer sehr vermisst…


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Fleisch darf man leider gar nicht einführen, ich sehne mich nach ein paar Pfefferbeißern oder anständigen Wienern Würstchen.

Es gibt natürlich auch Produkte, die ich in Deutschland vermisse werde, wenn ich dort bin. Sour Creme zum Beispiel, die gibt es hier im Eimer, wie bei uns das Joghurt. Sie ist ein großartiger Ersatz für alle möglichen quarkähnlichen Produkte oder creme fraiche. Ich kann sie pur essen, mit Frühlingszwiebeln und ein bisschen Salz, Soßen damit verfeinern oder ganz faul einfach Soße damit machen. Ich habe mich nur noch nicht getraut einen Käsekuchen damit zu backen, das werde ich aber auch noch probieren. Auch die Auswahl an Steaks ist hier natürlich anders als in Deutschland, mir fällt nur auf, dass Amerikanische Metzger alles doppelt so dick schneiden, wie bei uns. Egal ob Schweinefleisch oder Rindfleisch, in Scheiben geschnitten ist es immer etwa 4 cm dick. Auch wenn es mir also an Fleisch nicht mangelt, sehne ich mich nach kunstvoller Verarbeitung desselbigen durch einen guten Metzger.

Next week we will fly to Germany and I am looking forward to eat Zwiebelmettwurst (onionhalfsmokedgroundbeefsausage?) on my breakfast roll.



16.12.2010


Merry Christmas

Bible, Luke 2

1 And it came to pass in those days, that went out a decree from Caesar Augustus, that all the world should be taxed. 2 And this taxing was first made when Syrenius was governor of Syria. 3 And all went to be taxed, everyone into his own city. …

Das sind die ersten drei Verse der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium in Englisch. Auch schön…

Die Weihnachtsgeschichte beginnt mit einer Volkszählung. Augustus wollte wissen, wie viele Untertanen er eigentlich hat und da es damals noch keine gut organisierten Einwohnermeldeämter gab, sollte jeder in die Stadt gehen, in der er geboren war. Was für eine Unruhe. Jedes Jahr wieder versuche ich mir dieses Chaos vorzustellen.

Aber was hat die Weihnachtsgeschichte und die Volkszählung mit meiner Kolumne zu tun?

Augustus wollte wissen, wer alles in seinem Kaiserreich wohnt. Unser Reich ist diese Webseite, der Kaiser und Pressesprecher ist Basti, Rainer ist Kulturminister und ich Außenminister und Hofnarr. Wir lieben unser Reich, kümmern uns und pflegen es. Doch wer ist das Volk und vor allem; wie groß ist es?

Volkszählungen sind eine heikle Sache. Ich bin mir sicher, dass unter den Lesern und wohl auch unter den Betreibern der Seite Volkszählungsgegner der großen Zählung in den 80er Jahren sind. Daher käme sicher keiner von uns auf die Idee eine Volkszählung anzuordnen. Es würde ja auch nichts nützen, da man das ja einfach boykottieren könnte, wie das auch in den 80ern schon praktiziert wurde.

Die Dunkelziffer der Leser ist recht groß, worüber ich mich eigentlich sehr freue. Gedacht war ursprünglich für ein paar Freunde zu schreiben, aber inzwischen sind es deutlich mehr. Der Versuch, durch die Halloweenverlosung Licht ins Dunkel zu bringen, war schon ganz gut, aber es gibt doch viele schüchterne Leser.

Niemals würden wir so etwas wie eine Volkszählung wollen, das verbietet uns unsere innere Einstellung, trotzdem möchte ich Euch einfach bitten, einen kleinen Abdruck im Gästebuch zu hinterlassen, wenn ihr zu regelmäßigen Lesern gehört und ich möchte mich auch an dieser Stelle bei allen bedanken, die dies schon getan haben. Es ist nicht erforderlich seine mail-Adresse oder seinen vollständigen Namen anzugeben.

Die Kolumne macht nun Urlaub in Deutschland, tankt neue Kraft, um weitere Monate in diesem großen Land Klischees zu finden und davon zu berichten. Nächstes Jahr kläre ich vielleicht solche Fragen wie: Warum gibt es Schilder, die dazu auffordern einen highway zu adoptieren; warum ist die Stifthalterung bei Kreditkartenbezahlmaschinchen immer links und was das für Folgen hat; warum ist es in Supermärkten zwei Menschen, die dafür bezahlt werden nicht möglich, einen Einkauf effektiv und zügig zu verpacken? Liegt es etwa daran, dass sie dafür bezahlt werden und zwar schlecht? Nach was riecht eigentlich ein Stinktier und schaffe ich es endlich mal, die wilden Truthähne zu fotografieren?

Und nachdem der letzte Titel des Spiegels in Deutschland hieß:
Enthüllt WIE AMERIKA DIE WELT SIEHT, die geheimen Berichte des US-Außenministeriums, werde ich mich daran begeben: Enthüllt WIE BARBARA AMERIKA SIEHT, die geheimen Berichte des blinddate-Außenministeriums

Im Januar geht’s weiter…. Ich hoffe, dass ich meine persönliche Amerikakrise mit dem zweiwöchigen Extremurlaub im kalten Deutschland bewältigt kriege und mich danach sehnen werde, wieder „nach Hause“ nach Kalifornien zu kommen.

I wish you a Merry Christmas and a Happy New Year.

Ohne Heimweh geht es weiter

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